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Den Neuanfang wagen!

Gedanken zur Zukunft des „Festival International Echternach“.

„La culture forge l’estime de soi, fonde la citoyenneté, cimente la vie en communauté, autant de choses qui sont des remparts à la violence, à la misère. »
Gilberto Gil – Musiker, ehemaliger Kulturminister Brasiliens.

Das renommierte „Festival International Echternach“ steht vor entscheidenden Umbrüchen. Tatsache ist, dass das Festival in den letzten Jahrzehnten der Stadt Echternach einen großen nicht nur kulturellen Mehrwert gebracht hat.

In Zeiten von Umbrüchen und Veränderungen muss vieles kritisch hinterfragt werden.
Selbstkritisches Hinterfragen ist immer ein Zeichen der Stärke und ein Beginn den Versuch eines Neuanfanges zu wagen.

Echternach hat die Chance durch einen inhaltlich kulturellen Neuanfang des Festivals, seine Rolle als historische Kulturhauptstadt Luxemburgs wieder aufblitzen zu lassen. Mindestens könnte die Stadt gesellschaftspolitische kulturelle Impulse setzen.

Deuten wir Überlegungen, sortieren wir gärende Gedanken und wagen einen Vorschlag.

Der Deutsche Musikrat formuliert in ihrem 4. Berliner Appell: „Dominiert ökonomisches Denken zunehmend kulturelles Denken, führt dies unweigerlich zu Verlust an Qualität, an Vielfalt, an kultureller Kompetenz und Humanisierung.“

Der Soziologe Norbert Sievers formuliert es sehr direkt: „Je mehr wirtschaftliches Wachstum zum Zentralbegriff der Gesellschaftspolitik wird, umso mehr werden andere politische Themen in den Hintergrund gedrängt. Schon lange mangelt es im kulturpolitischen Diskurs an einem Gesellschaftsbegriff, in dem die Frage Relevanz hat, wie wir in Zukunft leben wollen. Das Fehlen sozialer und kultureller Werte wird beklagt. Doch wo sollen sie herkommen, wenn sie nicht formuliert und kommuniziert werden? (…) Um der Zukunft der Kultureinrichtungen willen sollte wieder mehr Kulturpolitik als Gesellschaftspolitik gewagt werden.“

Stéphane Hessel und Edgar Morin beschäftigen sich in ihrer visionären Schrift „Wege der Hoffnung“ auch mit der Ästhetik in der Kultur. Sie muss für die Autoren hier einen festen Platz haben. Kunstgenuss mache menschlicher. Die Welt sei wunderbar und zugleich entsetzlich. Ästhetische Erfahrung verhilft uns zu angenehmen Gefühlen und zugleich zur Kraft dem Schrecken ins Auge zu sehen, so der Grundtenor. Der Kraft dem Schrecken ins Auge zu sehen, ein notwendiger Schritt zum Einmischen, zum Engagieren und so zum Ändern der bestehen gesellschaftlichen Verhältnisse.

Diese Überlegungen, also die Dominanz des ökonomischen Denkens, der Mangel an einem Gesellschaftsbegriff im kulturpolitischen Diskurs und die Ästhetik in der Kultur, könnten Orientierungspfeiler bei einem Neuanfang darstellen.

Die gärenden Gedanken begannen beim Unterzeichnenden 2012. Der renommierte Pianist Fazil Say, Gast in Echternach, hatte zu jenem Zeitpunkt heillose gesellschaftspolitische Schwierigkeiten in der Türkei. Im Umfeld des diesjährigen Festivals begannen die Gedanken Form anzunehmen. Eine Bemerkung von Marc Demuth, dem stellvertretenden Leiter der regionalen Musikschule, war ein entscheidender Impuls. Es ging um die Streichung der Kredite für die niederländischen Musikschulen. Sinngemäß war seine Bemerkung: „Ein großer Fehler. Immer nur Fragen zu den Kosten der Kultur. Warum nicht mal Fragen ob es was mit unserer Identität zu tun hat, mit unseren Werten des Zusammenlebens.“ Dieser Impuls setzte Überlegungen frei.

Der Starviolinist Daniel Hope war dieses Jahr „Artist in Residence“ in Echternach. Außer seinem außergewöhnlichen musikalischen Talent, ist Hope engagierter Botschafter von Amnesty International. Er gibt Benefizkonzerte für Initiativen zum Klimaschutz oder gegen das Vergessen des Holocausts. Hope sieht Konzerte auch so: „(…) viele Kolleginnen und Kollegen trauen sich schlicht nicht, sich offen zu engagieren oder politische Akzente zu setzen. Dabei ist ein volles Konzerthaus ja auch eine Chance: Sie haben einen ganzen Abend Zeit, ein Publikum mit einem Thema vertraut zu machen, es für ein Thema zu gewinnen. Bei meinen »Tu was!«-Konzerten habe ich die Erfahrung gemacht, dass das Publikum sehr offen für meine gesellschaftlichen Anliegen ist.“

Die Überlegungen sind gedeutet, die Gedanken sortiert, der Vorschlag nun hat etwas mit Salzburg zu tun, präziser mit den Salzburger Festspielen 2017. Zugegeben es ist das weltweit größte Klassikfestival und unmöglich als Copy/Paste zu vermitteln, aber von seiner diesjährigen Idee her äußerst interessant. „Eine stille Revolution weht durch Salzburg mit dem Amtsantritt des Teams um Markus Hinterhäuser“ lautete mancher Kommentar. Ich bin angetan von der Herangehensweise des Intendanten Markus Hinterhäuser. Hinzu kommen die Kommentare des Ausnahmepianisten Igor Levit, übrigens Levit war neben Hope auch Gast beim diesjährigen Festival in Echternach.

Folgende Zitate von Hinterhäuser und Levit aus Interviews zum Salzburger Festival zeigen die Richtung der „stillen Revolution“: „Festspiele finden in einem politischen Kosmos statt / Kunst ist immer Gesellschaftsrelevant / Kunst differenziert unser Denken / Festspiele müssen mehr sein als eine beliebige Aneinanderreihung von Veranstaltungen / Festspiele müssen wesentlich mehr sein als nur Wohlfühloasen / Kunst funktioniert nicht abseits der Welt / Kunst ist ein Vehikel uns besser kennen zu lernen / Kunst hat immer einen gesellschaftspolitischen Kontext / Kunst erweckt Emotionen und stellt Fragen wer wir eigentlich sind / Festspiele müssen Verantwortung übernehmen, Haltung zeigen / Oft hat ein Konzertbetrieb übers Jahr keinen Unterschied mit einem Festival“.

Aufgrund dieser Überlegungen haben die Salzburger Festspiele 2017 sich in einem klaren zudem aktuellen politischen Kontext positioniert. Der rote Faden des Festivals ging um das Thema „Macht und Ohnmacht“.

Hinterhäuser erläutert in einem Pressegespräch die daraus folgende musikalische Programmgestaltung wie folgt: „Ausgehend von Mozarts Oper „La clemenza di Tito“ beschäftigen wir uns mit der Phänomenologie der Macht. Es geht um Strategien der Macht, ihre Zumutungen und Grausamkeiten, aber auch um das Vergeben- und Verzeihen können. Die Einsamkeit der Macht ist Thema in Reimanns „Lear“, während in Schostakowitschs „Macbeth“ und Verdis „Aida“ sich Macht mehr im zwischenmenschlichen Kontext ausdrückt. Bergs „Wozzeck“ ist dann schon fast eine private Passionsgeschichte.“

Die „Süddeutsche Zeitung“ bringt die neue kulturpolitische Philosophie des Festivals in Salzburg in einer Konzertkritik exzellent auf den Punkt: „Beim ersten Applaus grinst Igor Levit hintergründig. Der Kommentar, den er mit der Schauspielerin Dörte Lyssewki und dem Streichquartett „Klangforum Wien“ da gerade mit Arnold Schönbergs „Ode to Napoleon Buonaparte“ gelandet hat, saß. Das Werk für Streichquartett, Klavier und Sprecher ist ein echauffiertes Stück. 1942 im New Yorker Exil komponiert, zieht es eine klare Linie von Lord Byrons Text-Vorlage zum Wahnsinn Hitlers. Heute klingt es wie eine süffisante Abhandlung über Regenten, die von ihrer eigenen Großartigkeit berauscht sind. Die Parallele zum politischen Tagesgeschehen dürfte dabei ganz nach Igor Levits Geschmack sein, der sich immer wieder politisch äußert, den Klassikbetrieb oft aufschüttelt und mittlerweile weit entfernt ist von den bloßen Virtuosen, die es in der Generation des 31-Jährigen zuhauf in den Konzertsälen gibt“.

Nicht uninteressant wie die Festspiele eröffnet wurden. Auch dies passte zum Gesamtbild. Der deutsche Strafverteidiger und Autor Ferdinand von Schirach hielt zur Eröffnung eine sehr sinnige Festrede. Im Fokus seiner Überlegungen stand nicht nur der radikale Denker Jean-Jacques Rousseau, ein kontroverser Aufklärer aus Genf, sondern als eine Art Gegenpart Rousseaus, sein wohl größter Antagonist der Philosoph und Schriftsteller Voltaire.

Ein Festival braucht eine Seele, ein klares Stellungs- und Erkennungsmerkmal. Das Echternacher Festival braucht sehr dringend ein kulturelles, gesellschaftspolitisches Leitbild. Vielleicht der Versuch eines Titels: „Das Gedächtnis erwartet die Intervention des Gegenwärtigen“ ein Zitat des französischen Philosophen Paul Valéry.

Erstes Thema eines möglich „neuen“ Festivals könnte ja „Freiheit und Unterdrückung“ sein. Ein Thema von brisanter Aktualität.

Raymond Becker
4.11.2017

Mäin Mandatsverzicht am Gemengerot zu Echternach.

Mäin Mandatsverzicht:

Eng perséinlech Erklärung.

Fir d’éischt mol deene Wieler*innen e Merci déi mir an eisem Team bei de Walen vum leschte Sonnden d’Vertrauen geschenkt hunn.

Ech well bewosst des schrëftlech Deklaratioun maachen fir keng onnëtz a falsch Interpretatiounen opkommen ze loossen.

Ech verzichten op mäin Mandat als Gemengeconseiller zu Echternach.

Ech hunn den 8. Oktober als Spëtzekandidat vun eisem Team 10% manner Stemmen kritt wéi 2011. Och doduerch hu mer eist Ziel an dëse Schäfferot ze kommen verpasst. Ech iwwerhuelen heifir déi politesch Responsabilitéit. Dat ass den éischte Grond vum mengen Verzicht.

Meng Aktivitéiten fir Echternach teschend 2011 an 2017 gefouert mat aller Energie déi ech hat, wou ech iwwerzeegt bleiwen dat se vun Bedeitung fir eng gutt an engagéiert Zukunft waren, wéi néi inhaltlech an organisatoresch Impulser am Tourismus ginn ze hunn, Bierger*innen zesummeféiere fir d’Kulturpolitik méi oppen a populär ze gestalten, de Stadmarketing initiéiert ze hunn fir d’Stad no bannen an no baussen méi kohärent a modern ze presentéiere, seriö Strukturen an en entwécklungspolitesche Projet bruecht ze hunn oder am Gemengerot mäin Bescht ginn ze hunn, waren fir Bierger*innen keng walentscheedend Themen. Si hunn beim Wielerwëllen keng Roll gespillt. Ech zéien doraus och meng Réckschlëss. Dat ass den zweete Grond vun mengem Verzicht.

E ganz wichtege Grond ass awer och, dat duerch mäin Verzicht eng weider dynamesch Fra an de Gemengerot kennt. Dee Wee fräi maachen fir 2023, e kloert a gutt Zeechen.

Ech war bei mengen 6. Wahlen fir e Gemengerot immens houfreg an esou engem Team hunn däerfe matzemaachen. Si wäerten Spuren hannerloossen an deem wat elo op des Gemeng zoukënnt. Do sinn ech secher.

E grousse Merci un all déi mat deenen ech hunn däerfen an de läischte 6 Joer zesummen schaffen. Si wëssen dat mäin Temperament, mat all mengen Ecken a Kanten, ëmmer fir des Stad do war.

Mäin Engagement an der Zivilgesellschaft (et gi lo 50 Joer) geet weider, no mengen Werter an Iwwerzeegungen, iergendwou.

Adelante *

Raymond Becker
12.10.2017

* Adelante (no fir)
Den internen mot-code vun eisem Team an dëser Walcampagne.

Von „Gedeessems“ und keiner Unterschrift.

Am 22. Dezember kam es bei der geplanten Unterzeichnung der Echternacher Basilika-Konvention zum Eklat. Der Erzbischof verweigerte die Unterschrift! Die lokale Kirchenfabrik hatte sich einer Klage des Syndikates der Kirchenfabriken gegen den Erzbischof, den Staatsminister und den Innenminister angeschlossen, um gegen die geplante gesetzliche Abschaffung der bestehenden Kirchenfabriken juristisch vorzugehen.

In einer Sondersitzung des Gemeinderates, welche auf Drängen von „déi gréng“ einberufen wurde und an der auch die Mitglieder der Kirchenfabrik teilnahmen, war die Stellungnahme unserer Fraktion klar:

  • Die internen Streitereien der Kirche interessieren uns nicht. Recht hat der Staatsminister mit seiner Aussage „dat Gedeessems sollen se ënnertenee regelen“.
  • Wir machen keine Aussage zur eingereichten Klage. Dies ist ein juristischer Prozess, die Gerichte werden entscheiden.
  • Wichtig war, dass die Besitzverhältnisse der lokalen Kirchenfabrik offengelegt wurden.
  • Die Gemeinde hat Anweisungen des Innenministeriums Rechnung zu tragen. Sie wurde aufgefordert, die Eigentumsverhältnisse der Kirchengebäude zu klären und vorzuschlagen, wie die Zukunft dieser Gebäude zu sehen ist. Für Echternach gab es bei den 4 Kirchengebäuden eine Ausnahme für die Basilika. Eine Konvention zwischen Staat, Gemeinde und Bistum, sollte die Aufteilung des Defizites der Unterhaltskosten nach dem Schlüssel 50%-25%-25% regeln. Die restlichen 3 Gebäude sollten in den Fonds übergehen.
  • Als Fraktion haben wir ein eindeutiges Bekenntnis zur Basilika-Konvention abgelegt. Bei dieser Konvention geht es um die Absicherung eines historischen Gebäudes von großem spirituellem, kulturellem, sozialem und touristischem Wert.
  • „déi gréng“ haben einen Vorschlag unterbreitet, der die Basilika-Konvention hätte retten können. Wir waren der Meinung, die lokale Kirchenfabrik hätte sich im Interesse der Basilika von der eingereichten Klage distanzieren müssen, d.h. sie hätte sich als Mitklägerin zurückziehen müssen. Nichts hätte sie daran gehindert, in einem Schreiben an den Bischof darauf hin zu weisen, dass sie weiterhin von der Notwendigkeit einer juristischen Klärung der Sachfrage überzeugt ist. Dieser Vorschlag wurde leider angelehnt. Dem Bischof wurde lediglich erklärt, die Klage sei nicht gegen ihn persönlich gerichtet.
  • Eine Aussprache über die Zukunft der historischen Peter und Paul-Kirche wurde von der Kirchenfabrik abgelehnt. Das Gesetzesprojekt stünde auf unsicheren juristischen Füssen. Man wolle zurzeit nichts diskutieren.

Ich habe in Gesprächen den Eindruck gewonnen, dass es bei der internen Auseinandersetzung innerhalb der Kirche nur vordergründig um die juristische Zukunft der Kirchenfabriken geht. Gezielt wird auf den Erzbischof, dem man seine Haltung in den Verhandlungen um die Trennung von Kirche und Staat nicht verzeiht.

Das ganze „Gedeessems“ könnte jedoch für Echternach fatale Folgen haben.

Raymond Becker

Journal am 24.1.2017

Vom Klimapakt zur Bürgerkommune!

„Der Klimawandel drängt zum Handeln. Kaum eine Regierung kann sich dieser Einsicht noch verweigern. (…) Vom Pariser Klimagipfel wird hoffentlich ein deutliches Signal ausgehen, dass Klimaschutz und ökologische Transformation nur im Zusammenwirken mit der Zivilgesellschaft machbar sind.“ Heinrich Böll Stiftung zur anstehenden COP21 in Paris.

Hierzulande ist man sich bewusst, dass um unsere nationalen Klimaziele zu erreichen, dass wir das Engagement der lokalen Akteure brauchen. Der Klimapakt, eine Vereinbarung zwischen dem Staat und den Gemeinden, bietet hier eine ideale Plattform. Dieser Pakt sieht vor, dass eine Gemeinde die sich engagiert konkrete Initiativen im Interesse des Klimaschutzes zu ergreifen, vom Staat finanziell unterstützt wird. Tut die Gemeinde dies mit Erfolg, wird sie zertifiziert. Zurzeit haben 95 der 105 luxemburgischen Gemeinden diesen Pakt unterschrieben. Viele dieser Gemeinden sind auf gutem Weg mit mindestens Bronze oder Silber zertifiziert zu werden. Gar 3 Gemeinden und eine Region schafften es, die höchste Zertifizierung den „European Energy Award Gold“ zu erreichen. Von den 95 Gemeinden haben bis dato 42 eine dieser Stufen geschafft.

So manches wurde im Rahmen dieser Zertifizierungen in den 6 Kategorien Raumplanung und Konstruktionen, Kommunale Bauten und Anlagen, Ver- und Entsorgung, Mobilität, interne Organisation sowie Kommunikation und Kooperation umgesetzt oder in die Wege geleitet.

Mit der konsequenten Umsetzung des Klimapaktes kann man eine Gemeinde oder eine Region fit für die Zukunft, nachhaltig gestalten. Dies gelingt aber nur, wenn man bei der Umsetzung des Klimapaktes, die kommunale Zivilgesellschaft einbindet. Die Menschen vor Ort müssen begeistert werden von einer Vision ihre Gemeinde mitumzugestalten. Genau hier besteht in manchen Gemeinden Handlungsbedarf. Die Arbeiten bei der Umsetzung des Klimapaktes dürfen nicht nur von einigen, wenigen politisch und administrativ Verantwortlichen unter Mithilfe externer Berater und einem quasi pro forma Klimateam gestaltet werden. Dies funktioniert zum Erreichen einer Zertifizierung, dies funktioniert zum Werben in Wahlkampagnen, aber es scheitert mittelfristig an der Realität vor Ort. Die Realität ist, dass sich BürgerInnen mit den Maßnahmen die im Rahmen des Klimapaktes umgesetzt werden, identifizieren müssen. Gelingt dies, sind die Menschen zu einem Engagement bereit.

Beispiel: In seinen Leitlinien zum Klimapakt gibt sich die Gemeinde langfristig das Ziel eine 2000W-Gesellschaft zu erreichen. Dieses Ziel steht für Begeisterung, Lebensqualität, Verantwortung, Gleichgewicht und Nachhaltigkeit. Das Ziel bedeutet vor allem einen konsequenten Umbau unseres heutigen Energiesystems. Hierfür braucht man Menschen die sich mit Engagement einsetzen.

Max Frisch formulierte, dass Demokratie bedeute, sich in seine eigenen Angelegenheiten einzumischen. Genau hier müsste die Umsetzung des Klimapaktes ansetzen. Der Prozess müsste zum Aufbau einer Bürgerkommune genutzt werden. Dies bedarf einer wesentlichen Voraussetzung: Kommunale Politik muss Mitmachmöglichkeiten und Betätigungsfelder schaffen und bereit zur Kooperation sein.

Sollte dies in einem Klimapakt-Prozess gelingen, wäre es eine hypothetische Platinium-Zertifizierung wert.

Raymond Becker

Gemeinderatsmitglied „déi gréng“ in Echternach.

In leicht gekürzter Version veröffentlicht im „Journal“ am 17.11.2015

Klimapakt, 2000 Watt und Laudato si‘.

Dieser Tage verabschiedete der Echternacher Gemeinderat das Leitbild für eine nachhaltige Entwicklung und einen ersten Maßnahmenkatalog im Rahmen der Umsetzung des kommunalen Klimapaktes.

Auf Initiative der „déi gréng“-Fraktion wurde das langfristige Ziel einer 2000 Watt-Gesellschaft festgeschrieben.

Was bedeutet dieses Ziel? Wissenschaftler/Innen der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH) haben ausgerechnet wie viel Energie jeder Mensch durchschnittlich verbrauchen darf, damit wir die Klimaerwärmung begrenzen und knappe Ressourcen verantwortungsvoll nutzen. Ihr Resultat: 2000 Watt. Gemäß dieser Vision sollte der Energiebedarf jedes Erdenbewohners einer durchschnittlichen Leistung von 2000 Watt entsprechen und so zu einer globalen gerechten Ressourcenverteilung beitragen. Interessant an dieser einprägsamen Watt-Zahl 2000 ist die Tatsache, dass diese dem durchschnittlichen weltweiten Wert von 1990 entspricht. Heute liegen wir bei etwa 2200 Watt. Nur, es gibt extreme Unterschiede.

Die USA haben einen Mittelwert von 12000 Watt, die Europäer 6000 Watt, Bangladesch liegt bei 500 Watt. Deutschland, Österreich und die Schweiz leben in einer 6500-Watt-Gesellschaft. Nehmen wir mal an, Luxemburg läge in etwa bei diesem Verbrauch. Das wäre mehr als das Dreifache dessen, was uns eigentlich zusteht. Es wäre mehr als unsere Umwelt und unser Klima vertragen können.

Sollen wir also mit 2000 Watt in unseren Breitengraden zurück in die „Steinzeit“, bei Kerzenlicht Bücher lesen und die Wäsche wieder von Hand waschen? Professor Peter Hennicke ist einer der profiliertesten Experten für Energieeffizienz lässt dies nicht gelten. 2000 Watt für alle Erdenbürger wäre zukünftig für neun Milliarden Menschen auf der Erde eine naturverträgliche und verteilungsgerechte Rückkehr zum derzeitigen globalen Durchschnitt, so Hennicke. Er rechnet vor, dass modernste Technik zukünftig eine sehr hohe Reduktion des Energie- und Materialverbrauchs in Industriestaaten ermöglicht. Allein durch diese Reduktion würde im globalen Süden der Spielraum für den unabdingbaren Nachholbedarf in diesen Ländern geschaffen.

Bleibt die Frage unseres ungehemmten Konsumwahns. Modernste Technik hilft bei Einsparungen, wird aber in den Industriestaaten zu einem höheren Konsum verleiten. Somit wäre der Effizienz-Effekt verpufft.

Hier stellt sich nun die Frage der Suffizienz, also des Genug. Es stellt sich die Frage was ein Mensch eigentlich zu einem guten Leben braucht.

Die rezente Enzyklika „Laudato si‘“ von Papst Franziskus (http://w2.vatican.va/content/vatican/de.html) gibt mehr als deutliche Antworten. Der Papst ruft die Welt zu einer ökologischen Revolution auf. Es ist ein Aufruf an jeden Einzelnen, an die Politik und die Wirtschaft. Die Frage, in welcher Welt unsere Kinder später einmal leben sollen, liegt besonders in der Verantwortung unserer Generation. „Laudato si‘“ ruft zu einem neuen Lifestyle der Langfristigkeit, Nachhaltigkeit und Ganzheitlichkeit auf. Der Papst hat in seiner ersten eigenen Enzyklika Umweltzerstörung, Klimawandel und Konsumrausch angeprangert. Franziskus sieht vor allem reiche Länder in der Pflicht, ihren Lebensstil zu verändern. „Wir leben auf Kosten anderer Menschen und das (…) muss verändert werden“. Eine klare Botschaft.

Klimapakt, 2000 Watt und Laudato si‘ sind eng vernetzt. Ich bin der festen Überzeugung, dass diese Vernetzung eine neue Dynamik besonders auf kommunalem Niveau beim Schaffen eines besseren und gerechteren Lebens bringen kann.

Innovative Wege sind möglich. 10 Städte haben sich in der Bodenseeregion zu einer Initiative „Wir leben 2000 Watt“ (www.wirleben2000watt.com) zusammengeschlossen. Mit ganz konkreten Maßnahmen in den Bereichen Ernährung, Konsum, Wohnen und Mobilität zeigen sie, wie eigentlich jeder sich auf den Weg einer 2000 Watt-Gesellschaft begeben kann.

Machen auch wir uns auf den Weg!

Raymond Becker

Gemeiderat der „déi gréng“ in Echternach

Leicht gekürzte Version im Journal vom 25.6.2015