Zur Reform des IWF: Nichts übertreiben!

„Reicher Mann und armer Mann standen da und sah‘n sich an, und der Arme sagte bleich: Wär‘ ich nicht arm, wär‘st du nicht reich.“         Bertold Brecht in „Das Alphabet“.

Der Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF) Dominique Strauss-Kahn sprach von einer historischen Reform und einem „Traumergebnis“. Zeitungsberichte überschlugen sich mit Titeln wie „Mega-Reform des IWF“ oder „Zeitenwende beim Weltwährungsfonds“.

Was ist denn eigentlich in diesen Tage auf dem Treffen der Finanzminister der G-20 Gruppe im südkoreanischen Gyeongju passiert, was zu solchen „Höhenflügen“ Anlass geben könnte?

Wie passt diese Euphorie zum doch heftigen Streit über die Manipulation von Wechselkursen und das Ungleichgewicht bei Handelsbilanzen? Wie passt sie zu den doch sehr mageren Ergebnissen der jährlichen Tagung des IWF und der Weltbank vor wenigen Wochen in Washington? Erschreckenderweise war hier die Bereitschaft zu einer seriösen Lösung der weltwirtschaftlichen Ungleichgewichte eher gering, nationale Interessen standen wie so oft im Vordergrund.

Der IWF ist wie die Internationale Arbeitsorganisation (ILO), die Weltgesundheitsorganisation (WHO) oder die Weltbank, eine von 19 Sonderorganisationen der Vereinten Nationen. Anlässlich einer internationalen Konferenz zum Aufbau der Weltwirtschaft nach dem zweiten Weltkrieg wurde 1944 im amerikanischen Städtchen Bretton-Woods der Grundstein für den IWF und die Weltbank gelegt. Allein aus der gemeinsamen Gründung geht hervor, dass beide Institutionen in einer engen Beziehung stehen.

Bleiben wir beim Währungsfonds. Zurzeit hat der IWF 187 Mitglieder deren Stimmrechte von ihren jeweiligen Anteilen am IWF-Kapital abhängen. Also nach dem Motto „Geld regiert die Welt“. Dies ist einer der Kritikpunkte am Fonds. Die entwickelten Industrieländer sind Herr im Hause. Die Anteile waren immer so, dass allein die USA bei allen Abstimmungen ein de-facto Veto-Recht hatten. Mit runden 17% der Anteile ging bei geforderten 85%-Mehrheiten ohne die USA rein gar nichts. Man brauchte in der 66jährigen Geschichte des Fonds keine tiefschürfenden Analysen um festzustellen, welche wirtschaftspolitischen Interessen im Vordergrund standen.

Der Internationale Währungsfonds förderte die neoliberale Ausrichtung der globalen Weltwirtschaft. Der amerikanische Wirtschaftswissenschaftler Joseph E. Stiglitz kritisierte 2002 in seinem Sachbuch „Die Schatten der Globalisierung“ diese IWF-Politik scharf. Sie könne keine Erfolge in der Armutsbekämpfung vorweisen, sie verschärfe ganz im Gegenteil die Kluft zwischen Arm und Reich. Massive Kritik gab es auch bei der Kreditvergabe und den hierbei aufgezwungenen Strukturanpassungsprogrammen des Fonds. Kritiker monierten, es gehe einzig und allein um die Interessen der Industriestaaten. Durch strenge Auflagen bei der Kreditvergabe wurden in der Tat ärmere Länder genötigt, ihre Wirtschaft auf Kosten der Einheimischen und zugunsten der Industrieländer zu liberalisieren. Nicht zu sprechen von massiven Umweltzerstörungen durch die Vergabe von Krediten seitens des IWF und der Weltbank an einseitige Großprojekte wie Staudämme oder die fossile Energieerzeugung.

Der Fonds schlitterte ab den 90ger Jahren in eine Legitimationskrise und wäre vor Ausbruch der rezenten Finanzkrise fast in der Versenkung verschwunden. Dem IWF gingen einfach die Kunden aus. Viele Länder wollten einfach keine Kredite mehr. Sie waren nicht mehr bereit, sich die neoliberale Politik des Fonds aufdrängen zu lassen. Einzelne Länder wie Brasilien und Argentinien beglichen ihre Schulden vorzeitig, um sich so von den aufgezwungenen verheerenden Reformprogrammen zu lösen. Vor allem asiatische Schwellenländer hatten große Devisenreserven akkumuliert und verschiedene regionale Finanzreservevereinbarungen begannen zu greifen, wie bspw. in Lateinamerika.

Immer offensichtlicher wurde, dass sich die wirtschaftlichen Machtverhältnisse innerhalb des Fonds änderten, dass Schwellenländer wie China, Indien oder Brasilien stärker in den IWF eingebunden werden müssten, sonst drohte dieser Sonderorganisation der Vereinten Nationen die totale Bedeutungslosigkeit. Reformen wurden nun allenthalben angemahnt. Die engagierte Zivilgesellschaft forderte im Kern eine eindeutige Demokratisierung der Struktur und eine klare inhaltliche Neuausrichtung der Wirtschaftspolitik.

Die weltweite Finanzkrise, verursacht durch das totale Versagen der Finanzmarktakteure, dieser Super-Gau des Kasinokapitalismus, war für den IWF – und gleichzeitig für die Weltbank – eine Art der Auferstehung „wie Phönix aus der Asche“. Um den totalen Zusammenbruch der Weltwirtschaft zu verhindern, erhielt der IWF einen unerwarteten Stellenwert. Seine Finanzmittel wurden massiv aufgestockt. Nie gekannte Milliardenkredite wurden an klamme Staaten vergeben.

Zurück nun zum vermeintlichen Traumergebnis innerhalb der G-20 in Südkorea.

Was ist eigentlich diese G-20? Die Gruppe ist ein seit 1999 bestehender informeller Zusammenschluss zwischen den 19 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer sowie der Europäischen Union. Dieses G-20 Forum soll eine stärkere Kooperation und Konsultation in Fragen des internationalen Finanzsystems vorantreiben.

Man braucht nun wieder keine tiefschürfenden Analysen um festzustellen, dass erstens diese G-20 keine demokratische Legitimation hat und zweitens hier eine Minorität von Ländern über die Köpfe einer übergroßen Majorität, die der armen Entwicklungsländer, hinweg entscheidet.

Nun haben sich die Finanzminister dieser Gruppe auf den Vorschlag einer Reform des IWF geeinigt. Dass dieser Vorschlag in Kürze vom gesamten Gremium des IWF angenommen wird, steht eigentlich außer Frage. Ganze 6,4% der Anteile werden nun zugunsten der Schwellenländer umverteilt. Besonders die Rolle Chinas und Indiens wird hierdurch gestärkt. Die Europäer verlieren durch diese Umstrukturierung 2 ihrer bisher 9 Sitze im 24köpfigen Exekutivrat zugunsten der Schwellenländer. Bis 2012 sollen alle Detailfragen dieser Restrukturierung ausgearbeitet werden.

Zur vermeintlichen „Mega-Reform“ folgende Überlegungen:

  • Die sogenannten Schwellenländer erhalten etwas mehr Einfluss;
  • es bleibt abzuwarten, ob sich dies für alle Entwicklungsländer positiv auswirkt oder ob letztendlich die nationalen Interessen Chinas und Indiens im Vordergrund stehen;
  • die USA behalten weiterhin ein de-facto Vetorecht und können alle wichtigen Entscheidungen blockieren;
  • dies gilt übrigens auch für die Europäer, falls sie einheitliche Positionen vertreten;
  • es gibt weiterhin innerhalb des Fonds keine politischen Antworten auf die drängendsten Probleme wie Währungskrise und Handelsbilanzungleichgewichte;
  • die Legitimität des Fonds bleibt weiter in Frage gestellt, solange keine inhaltlich neue Ausrichtung seiner Politik unter Einbeziehung sozialer und ökologischer Kriterien erfolgt und die Vergabe von Krediten an klare und für jeden akzeptable Bedingungen geknüpft ist.

Um noch etwas auf die aktuelle IWF-Euphoriebremse zu treten, wäre die Lektüre der rezenten Veröffentlichung „The IMF and Economic Recovery“ sehr zu empfehlen. Die Autoren Weisbrot und Montecino weisen gezielt auf die mannigfaltigen Widersprüche zwischen den offiziellen Stellungnahmen und der praktischen Politik des IWF hin.

Vielleicht wäre in diesem Gesamtkontext eine Debatte über die Idee eines Weltwirtschaftsrates unter dem Dach der Vereinten Nationen interessant. Gleichrangig neben dem Weltsicherheitsrat angesiedelt, hätte dieser Rat eine demokratische Legitimation um die internationale Wirtschafts- und Finanzpolitik zu koordinieren, sowie der Globalisierung die dringend notwendigen ökologischen und sozialen Richtlinien zu geben. Diese Richtlinien würden die Grundlage der Arbeiten des IWF, der Weltbank und der Welthandelsorganisation (WTO) bilden.

Gygeongju brachte eine seit Jahren geforderte Reform des IWF auf den Weg. Bis zur „Mega-Reform“ und zur „Zeitenwende“ sind noch etliche politische Entscheidungen notwendig.

Françoise Kuffer          Raymond Becker