Antikriegstag 2018 – 1. September Trier
Beitrag Raymond Becker
Friddens- a Solidaritéitsplattform Lëtzebuerg
„Die Waffen nieder!“
Liebe Freundinnen und Freunde,
ich freue mich für die „Friddens- a Solidaritéitsplattform Lëtzebuerg“, heute an diesem Antikriegstag hier in Trier, mit euch gegen den Krieg und für den Frieden zu demonstrieren.
Unsere Solidarität in dieser Region gilt besonders all jenen Organisationen und Friedensbewegten, die sich für eine sicherere Welt, hierfür stellvertretend in Büchel und Spangdahlem, einsetzen.
Wenn ich heute an diesem Antikriegstag als Vertreter der luxemburgischen Friedensbewegung zu euch spreche, ist dies auch ein Zeichen, dass wir in dieser Region grenzüberschreitend unsere Zusammenarbeit stärken wollen. „Einigkeit macht stark“ dies ist mehr als ein platter Wahlspruch. Wir sollten uns hierfür als Friedensbewegung in Rheinland-Pfalz, im Saarland, im grenznahen Frankreich sowie Belgien und Luxemburg auf den Weg machen.
Liebe Freundinnen und Freunde,
Wir wissen, dass seit dem Ende des sogenannten „kalten Krieges“ die Gefahr einer militärischen Auseinandersetzung zwischen den Großmächten nie so hoch war. Es gibt im Moment kein funktionierendes Rüstungskontrollforum mehr, wie es selbst in der Hochphase des Kalten Krieges der Fall war; Rüstungsausgaben explodieren; immer automatischere und präzisere Waffensysteme, werden entwickelt; Gedankenkonstrukte begrenzter Nuklearkriege sind konkret. Militärische Eskalation wird wieder bewusst gefördert.
Wir befinden uns in einer Spirale der Eskalation. Dies ist nicht unsere Welt. Wir wollen Deeskalation. Die Friedensaktivisten und Friedensnobelpreisträgerin Bertha von Suttner prägte schon 1889 die Aussage in ihrem Buch: „Die Waffen nieder!“- „Der Krieg liegt nicht in der Natur des Menschen, sondern der Krieg ist das entscheidende Hindernis für die Weiterentwicklung der Menschheit.“ Wir stehen als heutige Friedensbewegung in dieser Aktualität.
Liebe Freundinnen und Freunde,
Gesellschaftlicher Zusammenhalt ist die Voraussetzung dafür, dass wir friedlich miteinander leben können. Soziale Ungleichheit spaltet unsere Gesellschaften. Soziale Spaltung führt zu Verunsicherung, dies führt zu Egoismen, Egoismen führen zu Krisen und im Extremfall zu Krieg. Auch deshalb ist die aktuelle Entwicklung in Europa, in der Welt so besorgniserregend. Wir müssen immer wieder verdeutlichen: Der Rechtsruck in Europa ist die Folge der neoliberalen Sparpolitik der EU. Unbeirrbar wird am wirtschaftsliberalen Kurs festgehalten. Die Austeritätspolitik hat maßgeblich zum Aufschwung der Rechten beigetragen, indem sie neben Armut, Angst erzeugt. Die Philosophin Bini Adamczak bringt es auf den Punkt wenn sie formuliert: „Wo es nicht gelingt, der […] ökonomischen Angst mit einem Angebot sozialer Sicherheit zu begegnen, der Politik der Spaltung mit der Einladung zu universeller Solidarität zu antworten, fassen die reaktionären Krisenlösungsstrategien.“ Nach Adamczak sind dies Rassismus, Exklusion und Militarisierung.“
Liebe Freundinnen und Freunde,
2012 wurde der EU der Friedensnobelpreis verliehen. Die Begründung hierfür lag in der stabilisierenden Rolle bei der Umwandlung Europas von einem Kontinent der Kriege, zu einem Kontinent des Friedens. Das Nobelkomitee führte aus, dass die größte Errungenschaft der EU „ihr erfolgreicher Kampf für Frieden, Versöhnung, Demokratie und Menschenrechte“ sei. Ich erspare euch jetzt geschwollene Aussagen der damaligen Rats- und Kommissionspräsidenten in ihren Dankesreden bei der Übernahme des Preises. Heuchlerisch waren die Aussagen in einem gewissen Grad zudem: Gewusst war schon bei der Preisverleihung, dass die EU-Außenpolitik ihren ausschließlich zivilen Charakter mit dem Maastrichter Vertrag 1992 aufgab. Mit der Schaffung der sogenannten „Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik“ wurde die militärische Ebene miteinbezogen und wird seitdem immer weiter ausgebaut. Gewusst war bei der Preisverleihung auch, dass im selben Jahr, die EU Rüstungsexportweltmeister würde.
Liebe Freundinnen und Freunde,
Wie steht es denn heute mit Frieden, Versöhnung, Demokratie und Menschenrechte innerhalb der Europäischen Union?
Unter dem harmlos-nichtssagenden Kürzel PESCO (Permanent Structured Cooperation) wurde vor wenigen Monaten von 25 Mitgliedsstaaten der EU, eine weitreichende Militarisierung der Europäischen Union beschlossen. Ein paar verpflichtende PESCO-Ziele zeugen vom Geist dieser Struktur:
Regelmäßige Erhöhung des Verteidigungshaushaltes; Mittelfristige Anhebung der Rüstungsausgaben auf 20% des Verteidigungshaushalts; Durchführung gemeinsamer, strategischer Rüstungsprojekte; Bereitstellung von Einsatztruppen und Logistik für die sogenannten EU-Battlegroups, den Krisenreaktionskräften oder mehr Wettbewerb auf den europäischen Rüstungsmärkten unter dem Stichwort „Rüstungs-Binnenmarkt“.
Als Friedensbewegung müssen wir dies mehr als aufmerksam verfolgen und anprangern. Da baut sich was mit Konsequenz auf. Das Europarlament hat vor zwei Monaten grünes Licht für einen neuen Fonds für die Rüstungsindustrie gegeben. 500 Millionen sind dies in einer ersten Etappe, massive Erhöhungen sind geplant. Dass hierfür das Budget für zivile Konfliktprävention und Friedenssicherung um mehr als die Hälfte gekürzt wurde, darüber schweigt des Friedensnobelpreisträgers Höflichkeit. Mit dem Fonds können autonome Waffensysteme, sogenannte Killer-Roboter, gefördert werden und wie mancher befürchtet könnten auch Streumunition, Landminen und Brandwaffen mit EU-Hilfe entwickelt und exportiert werden. Die Rüstungsindustrie lässt grüßen.
Liebe Freundinnen und Freunde,
die Frage sei erlaubt: Von welchem Teufel wurden die 25 Mitgliedsstaaten bei dieser PESCO-Entscheidung geritten? Der Kern liegt im NATO-Gipfel in Wales im September 2014. Hier wendete sich das Bündnis wieder verstärkt gegen Osten. Die NATO setzt weiter auf Abschreckung, da dies in ihrer Logik, der beste Weg sei, um einen Konflikt zu vermeiden. Dafür muss kräftig aufgerüstet werden. Der Dämon im Osten war schnell gefunden, er sitzt in Moskau. Bis heute rechtfertigt diese Angehensweise einen immer verrückter werdenden Rüstungswettlauf. Damit wir uns nicht falsch verstehen, der neue russische Zar ist kein Friedensengel, aber Konflikte werden nicht mit militärischer Übermacht, sondern nur durch vertrauenswürdige Verhandlungen gelöst. Übrigens, an noch was müssen wir die militärischen Falken immer wieder erinnern: Die europäischen NATO-Mitglieder alleine, ohne die USA, geben jetzt schon 3 Mal so viel für Rüstung aus wie Russland. Wenn allein Deutschland tatsächlich 2% seines Bruttoinlandsproduktes in die Verteidigung stecken würde, dann gäbe Deutschland alleine so viel für Rüstung aus wie die Atommacht Russland. Ein politisch völlig unzulänglicher Präsident aus den USA, forderte beim letzten NATO-Gipfel in Brüssel gar 4% des Bruttoinlandsproduktes für Militärausgaben. Geht’s noch!
Nach den aktuellen Zahlen des SIPRI Forschungsinstituts in Stockholm gab die Welt im letzten Jahr 1,7 Billionen US-Dollar für Rüstung und Militär aus. Mehr als ein Drittel davon entfiel auf die USA allein, mehr als die Hälfte auf alle NATO-Staaten. Mit Trumps 4%-Forderung wären es genau zwei Drittel der weltweiten Militärausgaben, die die NATO-Länder auf sich bündeln würden. Wann endet dieser Exzess? Bei 75% der globalen Kriegsausgaben in NATO-Hand? Bei 90 %? Nach Trumps Szenario wären die NATO-Ausgaben 23 Mal so hoch wie Russlands Militärhaushalt. Aktuell sind es ganze 14 Mal. Wann ist Russland genug abgeschreckt? Wenn die NATO-Ausgaben 50 Mal höher sind? 100 Mal höher? Schluss jetzt!
EU und PESCO, hört in allen militärischen Gremien mit dem Gejammere einer militärischen Fähigkeitslücke auf. Wir fordern: Schützt die Menschen vor den wirklichen Gefahren: Klimawandel, Armut, Krankheiten, sozialer Ungerechtigkeit, ausbeuterischem Handel oder irrsinnigem Waffenhandel. Besinnt euch auf die Probleme anstatt den Bezug auf die Realität zu verlieren.
Liebe Freundinnen und Freunde,
Besonders in Zeiten wie diesen bleibt es wichtig, an interessante Konzepte zu erinnern und diese in die aktuellen Diskussionen einzubringen. Eine internationale Kommission für Abrüstung und Sicherheit unter Leitung von Olof Palme, veröffentlichte 1982 den Bericht „Common Security“. In diesem Bericht wurde dargelegt, wie internationale Zusammenarbeit, Abrüstung und Entmilitarisierung vorangetrieben werden könnten. Fragen der Sicherheit wurden nicht auf militärische Mittel reduziert. Die Grundsätze dieses Berichtes waren: Alle Nationen haben ein legitimes Recht auf Sicherheit; Militärische Gewalt ist kein legitimes Mittel zur Lösung zwischenstaatlicher Kontroversen; Zurückhaltung ist notwendig als Ausdruck nationaler Politik; Sicherheit kann nicht durch militärische Überlegenheit erreicht werden; Reduzierungen und qualitative Beschränkungen von Waffensystemen sind für die gemeinsame Sicherheit notwendig; Verknüpfungen zwischen Abrüstungsverhandlungen und politischen Ereignissen sollten vermieden werden. Für die Palme-Kommission war klar: Es gibt keine Sicherheit vor- oder gegeneinander, sondern nur noch miteinander. Dies gilt bis zum heutigen Tage. Dem wäre nichts hinzuzufügen.
Liebe Freundinnen und Freunde,
„Wer die Opfer nicht schreien hören, nicht zucken sehen kann, dem es aber, sobald er außer Seh- und Hörweite ist, gleichgültig ist, dass es schreit und zuckt – der hat wohl Nerven, aber – Herz hat er nicht.“ Dieses Zitat von Bertha von Suttner passt auf die heutige Flüchtlingspolitik der EU.
Es ist erschreckend und beschämend wie in vielen Ländern Europas die Themensetzung der rechten Populisten aufgenommen wird und so am Verhandlungstisch tödliche Abschottungsmaßnahmen entwickelt werden und die Krisenverantwortlichkeit den Geflüchteten zugeschoben wird.
Es findet eine zunehmende Militarisierung der Migrationspolitik Europas statt. Menschenfeindliche Grenzzäune werden hochgezogen, Europa hat sich damit nach über 25 Jahren für einen neuen, modernen und hochtechnisierten Eisernen Vorhang entschieden.
Die Europäische Union soll sich für ihre Flüchtlingspolitik schämen. Völkerrecht, Humanität und Menschenrechte spielen für viele EU-Mitgliedsländer keine Rolle mehr. Humanitäre Hilfe wird kriminalisiert. Es ist ein Bild des Grauens was sich im Mittelmeer und in Ländern wie Niger, Tschad und Libyen bietet: Tod, Vergewaltigung, Folter, Mord oder Menschenhandel. Viele interessieren die Toten im Mittelmeer nicht, sie sind herzlos gegenüber dem Fakt, dass momentan mehr Menschen auf der Flucht in der Wüste Afrikas sterben als im Mittelmeer. Europa zieht seine Grenze mitten durch Afrika, ein Bollwerk bewacht von dubiosen hochgerüsteten Regimen, die mit Humanität und Menschenrechten nichts am Hut haben. Statt dem Sterben im Mittelmeer politisch entgegenzutreten, werden skrupellose Deals als Erfolg bewertet und zum zentralen Element einer rigorosen Abschottungspolitik in der EU erkoren. In vielen EU-Staaten befeuern Politiker rassistische Ressentiments, um sich als Retter nationaler Interessen zu inszenieren. Diese Politik gefährdet nicht nur Menschen- und Flüchtlingsrechte, sie gefährdet auch den Zusammenhalt der EU.
Liebe Freundinnen und Freunde,
Die Vereinten Nationen haben vor wenigen Wochen einen Vertrag zur globalen Migration vereinbart. Wir sollten als Friedensbewegung diesen Vertrag unvoreingenommen analysieren. Mehr als 190 Länder billigten den „Global Compact for safe, orderly and regular Migration“. Er soll sichere, geordnete Migration fördern, sowie dem Menschenhandel entgegenwirken. Der Vertrag gilt als erstes internationales Dokument zum Umgang mit weltweiten Migrationsbewegungen und soll neue Perspektiven für legale Einwanderung eröffnen. Die Staatengemeinschaft will mit diesem Pakt eine konsequente Weiterführung des Menschenrechtsschutzes gewährleisten. Man kann bedauern, dass dieser Pakt nur eine Übereinkunft ist, also keine völkerrechtliche Bindung haben wird, aber, er bietet Argumentationshilfe um Paroli gegen das lautstarke aber inhaltslose Gebrüll rechter Populisten in verschiedenen Regierungen und bei den sogenannten besorgten Bürgern zu bieten.
Nach UN-Angaben vom Dezember 2017 gibt es fast 260 Millionen Flüchtende auf der Erde. Das sind rund 3,4 Prozent der Weltbevölkerung. Die Zahl der Menschen, die ihre Heimat auf der Suche nach Frieden und einem besseren Leben verlassen, stieg seit 2000 um fast 50 Prozent. Dies ist eine Herausforderung die wir nicht mit Mauern, Stacheldrähten und Waffen lösen.
Wir sollten einstehen für eine humane und menschenwürdige Flüchtlingspolitik. Wir sollten fordern, dass endlich die Ursachen der Flüchtlingsbewegungen wirksam beseitigt werden.
Die Europäer fanden seit der Kolonialzeit nie den Mut, den ausbeuterischen Wirtschafts- und politischen Akteuren, lokalen und westlichen, im Nahen und Mittleren Osten, sowie in ganz Afrika Einhalt zu gebieten.
Wir haben Sturm gesät und wundern uns, dass wir einen Orkan ernten.
Liebe Freundinnen und Freunde,
an diesem Antikriegstag sollten wir verdeutlichen und uns einmischen, dass sich ein Engagement für eine friedliche, humane und sozial gerechte Gesellschaft lohnt. In diesem Sinne möchte ich schließen mit einem Zitat von Bertha von Suttner: „Frieden braucht Mut, Mut zur Wahrheit, den Mut sich selber zu Verändern.“