UNO-Migrationspakt: „Die Stunde der Komödianten.“

„’Die Unmenschlichkeit, die einem anderen angetan wird, zerstört die Menschlichkeit in mir.‘ Ich wiederhole die Erkenntnis von Kant und mache sie mir zu eigen. Jeder von uns trägt den kategorischen Imperativ in sich. Er ist der Motor der weltweiten Zivilgesellschaft.“

(Jean Ziegler, Schweizer Soziologe)

Der Romantitel „Die Stunde der Komödianten“. von Graham Greene passt zur aktuellen Diskussion dieses Themas. Als Beobachter unserer gesellschaftlichen Aktualität, muss man immer öfter „ die Politik“ mit einem schmierenkomödiantischen Spiel vergleichen. Der UNO-Migrationspakt ist hierfür ein Fallbeispiel.

Im September 2016 verabschiedete die Plenartagung der Vereinten Nationen (UNO) die „New-Yorker Erklärung für Flüchtlinge und Migranten“(1). Diese Erklärung diente als Basis, um nach 18-monatigen intensiven, transparenten und offenen Diskussionen als „Global Compact for save, orderly and regular Migration“(2), dem sogenannten UN-Migrationspakt, vorgelegt zu werden. Im Juli 2017 stimmten 192 von 193 UNO-Mitgliedsstaaten dieser Vorlage zu. Zum ersten Mal in ihrer Geschichte begab sich die Völkergemeinschaft auf den Weg, einen globalen Migrationspakt zu verabschieden. Für niemanden überraschend, Trumps USA waren schon während der Verhandlungsphase ausgeschert.

Das Votum war ein historischer Beschluss für die Vereinten Nationen. Innerhalb der UNO wird dieser Migrationspakt in seiner Bedeutung mit der Klimakonferenz 2015 in Paris gleichgestellt. Aufgrund von Nachweisen und Fakten beschreibt dieser Pakt die weltweite Migrationspolitik als Realität, die nur global beantwortet werden kann.

Der Pakt stelle „einen rechtlich nicht bindenden Kooperationsrahmen dar“, so die Verantwortlichen der UNO. Das Abkommen basiere auf den Verpflichtungen, „auf die sich die Mitgliedstaaten in der New Yorker Erklärung für Flüchtlinge und Migranten geeinigt haben“ sowie „der Erkenntnis, dass die Migrationsproblematik von keinem Staat allein bewältigt werden kann“. Der Pakt wahre „die Souveränität der Staaten und ihre völkerrechtlichen Pflichten“. Die Völkergemeinschaft will die internationale Zusammenarbeit fördern, Fluchtursachen bekämpfen und Migration ordnen und regeln. Mit 23 Zielen will der Pakt den Umgang mit Migranten international regeln.

Mitte Dezember wollen die Regierungschefs der Welt, diese Vision, ein „Globaler Vertrag für sichere, geordnete und reguläre Migration“(3), im marokkanischen Marrakesch anlässlich einer UNO-Konferenz formal annehmen.

Schizophrenes Verhalten.

Es überrascht eigentlich kaum, dass nun populistische Politiker gegen dieses geplante Abkommen Sturm laufen, dies obwohl ihre Regierungen seit Monaten an der Ausarbeitung der Vorlage beteiligt waren und dem Abkommen zustimmten. Neben den USA, haben Australien, Ungarn und rezent Österreich ihre Ablehnung mit hanebüchenen Argumenten erklärt. Andere populistische Regierungen werden folgen. Ein schizophrenes Verhalten nach dem Motto „Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern“.

Die Argumente für die Ablehnung sind völlig überzogen und falsch. Mit billiger Stimmungsmache wie „“Unsere Demokratie ist in Gefahr. Unsere Identität ist in Gefahr. Unsere Souveränität ist in Gefahr.“ werden instinktlos den niederen Gefühlen der sogenannten „besorgten Bürger“ Vorschub geleistet. Es geht den Populisten nicht um die Lösung in den Fragen der Migration. Es geht um das Schüren von Hass gegen alles was seit den Zeiten der Aufklärung sich an der Maxime von „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ orientierte, es geht um das Schüren von Hass gegen eine tolerante, offene und humane Gesellschaft. Es geht diesen Populisten einzig und allein um den Erhalt, den Ausbau oder ums Erlangen der Macht. Hierfür ist jedes Mittel Recht. Besonders die heutigen Zeiten von Fake-News (erfundene, manipulierte, vorgetäuschte, gar falsche Neuigkeiten) oder Lügenpresse („Die da oben“ manipulieren, belügen und betrügen zu ihrem Vorteil das „Volk“ mittels der Presse) spielen den Populisten in die Karten. Recherchierte Argumente und nachweisbare Fakten, zählen immer weniger in den hasserfüllten Auseinandersetzungen.

Trotz allem gilt es die politische Integrität in den Debatten zu wahren und weiter konsequent auf Argumente und Fakten zu setzen. So wie Christoph Vedder, Rechtswissenschaftler an der Universität Augsburg. Seine Analyse, ist die Antwort auf all das hysterische Geschrei gegen die UNO-Vorlage: „(…) Der Migrationspakt definiert sich als ‚rechtlich nicht bindendes Kooperationsabkommen‘ und betont als eines seiner ‚Leitprinzipien‘ die ‚nationale Souveränität‘. Insbesondere können die Staaten Migration innerhalb ihres Hoheitsbereichs selbst regeln, jedoch ‚in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht‘. Die Staaten dürften ‚zwischen regulärem und irregulärem Migrationsstatus unterscheiden‘. Ein weiteres Leitprinzip sind die Menschenrechte, die die Migranten ohnehin haben. Insoweit enthält der Pakt keine über die schon bestehende Rechtslage hinausgehenden Verpflichtungen.“

Hass auf Flüchtlinge und Klima.

Wolfgang Kessler, Wirtschaftspublizist und Chefredakteur der christlichen Zeitschrift „Publik-Forum“ findet es auffallend „(…) dass sich der Hass der Rechten an zwei Themen entzündet: Flüchtlinge und Klima. Die horrende Vermögens- Ungleichheit in Deutschland weckt dagegen kaum Emotionen. Warum gerade Flüchtlinge und Klima? Mein Verdacht: Weil diese beiden Themen in nicht wenigen Menschen das Gefühl verstärken, ihr Leben grundlegend verändern zu müssen. Wenn in der Nachbarschaft fremde Leute leben oder wenn Ökologen den Fleischkonsum, das Autofahren, die Urlaubsflüge infrage stellen, löst dies Veränderungsängste und massive Abwehr aus. (…) Ehrlicherweise muss man einräumen, dass die Flüchtlingsbewegung und die Erdüberhitzung das Leben der Menschen in Zukunft verändern werden: Keine Abschottungspolitik und keine Grenzkontrollen werden Menschen letztlich an der Flucht vor Krieg, Elend und den Folgen der Klimakrise hindern können.“ Kesslers Analyse gilt eigentlich für die gesamte industrialisierte westliche Hemisphäre. Ein Nährboden für Populisten aller Art.

Es gibt eigentlich nur einen Ausweg: Die politischen Entscheidungen müssen verdeutlichen, dass sie Menschen in diesen Veränderungen nicht im Regen stehen lässt und konsequent auf eine gerechtere Gesellschaft hinarbeitet. Dies muss gelingen. Nur so wird die große Mehrheit der die Bürger*innen die notwendigen Veränderungen in unserer Gesellschaft tragen.

Die sich auf tolerante Werte berufende Zivilgesellschaft, sollte sich engagiert mit diesem Migrationspakt auseinandersetzen und die politische Konfrontation mit den rechten Populisten suchen. Die Maske dieser Schmierenkomödianten muss weg, nur so kann man ihre hässliche, menschenverachtende Fratze erkennen.

Der österreichische Lyriker Erich Fried formulierte: „Wer will, dass die Welt bleibt, wie sie ist, will nicht, dass sie bleibt.“

Dies kann und darf nicht unsere gemeinsame Zukunft sein!

Raymond Becker
Mitglied des Koordinationsteams
der Friddens- a Solidaritéitsplattform Lëtzebuerg.

(1) http://www.un.org/depts/german/gv-71/band1/ar71001.pdf

(2) https://refugeesmigrants.un.org/sites/default/files/180711_final_draft_0.pdf

(3) http://www.un.org/depts/german/migration/A.CONF.231.3.pdf