Aachener Friedenspreis 2019: Mat engem gudde Kolleg em Dietmar Mirkes (Klimabündnis Lëtzebuerg), mais virun allem de Präisträgerinnen Elke Koller an Marion Küpker.

Nichtstun und Schweigen sind keine Optionen!

Der diesjährige Aachner Friedenspreis wurde am 1. September an zwei Initiativen gegen Atomwaffen, den „Initiativkreis gegen Atomwaffen“ (Elke Koller) und die Kampagne „Büchel ist überall! atomwaffenfrei.jetzt!“(Marion Küpker) verliehen.

Diese Preisvergabe war richtig und wichtig!

Sieht man die aktuelle atomare Gefahrenlage weltweit, müssten alle Alarmglocken schrillen: Das Säbelrasseln besonders der USA und Russlands; die brisanten Kaschmir-Spannungen zwischen Indien und Pakistan; das Aufplustern des nordkoreanischen Diktators; die volle Konfrontation der USA um das Atomabkommen mit dem Iran; die Kündigung des INF-Vertrags über atomare Mittelstreckenraketen; die drohende Ablehnung sämtlicher atomarer Rüstungskontrollen, so dass letztlich das «New-Start»-Abkommen über atomare Langstreckenwaffen, das 2021 ausläuft, akut gefährdet ist; die Militärstrategien der Großmächte schließen atomare geführte und gewinnbare Kriege nicht mehr aus; die atomare Aufrüstungsspirale und die Modernisierung der Atomwaffen vollzieht sich in einem irrsinnigen Tempo; die Abkehr von bewährten diplomatischen Gepflogenheiten, die es ermöglichten, in der Vergangenheit eine europäische Sicherheitsarchitektur auszuarbeiten oder multilaterale Abkommen werden durch bilaterale „Deals“ ersetzt, Desinformation und Fake-News verwirren die Öffentlichkeit.

Wendy Sherman Spitzendiplomatin unter Clinton und Obama wird in ihrer Arbeit als hartnäckig beschrieben. Unter US-Präsident Clinton verhandelte sie mit dem Kim-Regime in Nordkorea über Abrüstung. Unter Obama war sie während vier Jahren Chefunterhändlerin mit dem Iran. Heute lehrt sie in Harvard. Sherman ist wahrlich keine Friedensaktivistin, aber sie kann ohne Zweifel die internationale Lage sehr gut einzuschätzen: «Wir leben zurzeit in der schlechtest möglichen Welt» lautet ihr Tenor. Für die ehemalige Diplomatin ist glasklar wer das Hauptopfer und der Hauptschauplatz eines möglichen Atomkonflikts der Großmächte ist: Europa. Doch zu sagen, hat Europa hierzu so gut wie nichts. Außer, man beteiligt sich munter an der weiteren Zuspitzung der Eskalation.

Weg mit dem abscheulichen Zeug!

Atomwaffen müssen weltweit verschwinden, war klarer Tenor auf der diesjährigen Verleihung des Aachener Friedenspreises.

Allein in Europa lagern im belgischen Klein-Brogel, im niederländischen Volkel, im italienischen Aviano und Ghedi-Torre, im türkischen Incirlik sowie im grenznahen Büchel in der Eifel, etwa 240 US-Atomwaffen. Hinzu kommen die französischen und britischen Arsenale, die auf etwa 500 geschätzt werden.

Weltweit teilen sich laut dem schwedischen Friedensforschungsinstitut SIPRI neun Staaten 13.900 Atomwaffen. Die USA und Russland verfügen demnach zusammengerechnet über 92 Prozent aller Atomsprengköpfe der Welt: Die Bestände der USA werden auf 6200, die in Russland auf 6500 geschätzt. Auch die UN-Vetomächte Großbritannien (200), Frankreich (300) und China (290) sowie Israel (80-90), Indien (130-140), Pakistan (150-160) und Nordkorea (20-30) verfügen über dieses Waffensystem.

Für SIPRI sind diese Zahlen für sich genommen wenig aussagekräftig: Für das Friedensforschungsinstitut ist der Konfliktfall entscheidend, das heißt, wie viele atomare Sprengköpfe sind operativ innerhalb kürzester Zeit einsetzbar. Weltweit geht SIPRI von 3750 solcher Nuklearwaffen aus, wovon fast 2000 auf hoher Alarmstufe ständig bereitgehalten werden. Hohe Alarmstufe bedeutet, die Waffen sind in weniger als 10 Minuten einsetzbar. Nur 4 Länder halten Atomsprengköpfe in dieser angespannten und brenzligen Situation, dem sogenannten „hair-trigger alert“: Die USA, Russland, Großbritannien und Frankreich.

Mitte August wurde bekannt, dass bei einer Explosion auf dem militärischen Testgelände bei Njonoksa im Norden Russlands am Weißen Meer, Menschen starben und radioaktive Strahlung freigesetzt wurde, die offenbar auch die ca. 30 Kilometer entfernt liegende Großstadt Sewerodwinsk erreichte. Es handelte sich um einen atomaren Unfall beim Test neuer Waffen. Solche Unfälle mit weitreichenden Folgen sind in allen Ländern eine tägliche Gefahr des atomaren Wettrüstens.

Nicht auszudenken bei einem Kriegseinsatz: Das internationale Rote Kreuz und die internationale Rothalbmondbewegung sehen in einem Atomkrieg katastrophale Folgen und keine Antwort darauf. Kein einziges Land wisse wie es auf einen Atomschlag reagieren und humanitäre Hilfe leisten soll.

Die Ächtung der Atomwaffen ist der Beginn nuklearer Abrüstung!

Wohl niemand ist so blauäugig zu glauben, mit einem Federstrich hätten wir morgen eine atomwaffenfreie Welt. Aber wir alle sind gefordert, konsequente Schritte zu unternehmen und neue Initiativen zu propagieren damit wir diesem Ziel schrittweise näherkommen.

Anfang Juli 2019 fand in Luxemburg die parlamentarische Versammlung der OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa) mit seinen 57 Teilnehmerstaaten und 11 Partnerstatten statt. In der Abschlusserklärung heißt es unter anderem: „Urges participating States to sign the Treaty on the Prohibition of Nuclear Weapons of 2017, the first legally binding international agreement to comprehensively prohibit nuclear weapons, with the goal of their total elimination.“

Genau dies ist ein wichtiger Schritt für eine atomwaffenfreie Welt.

Auch in Luxemburg verlangt die Friedensbewegung von Regierung und Parlament die Unterzeichnung und Ratifizierung des Atomwaffen-Verbotsvertrags der Vereinten Nationen.

Bei Atomwaffen war es bis dato anders als bei biologischen oder chemischen Waffen. Sie waren bislang international nicht geächtet. Nach dem Ratifizierungsprozess schließt der Atomwaffenverbotsvertrag endlich diese Lücke. Ein Land, das dann noch an Atomwaffen festhält, steht eindeutig außerhalb des Völkerrechts.

Besonders dieser Atomwaffen-Verbotsvertrag liegt den 29 NATO-Ländern und allen Atommächten quer. Drei Argumente werden seitens der NATO gebetsmühlenartig vorgetragen. Alle sind falsch:

  • „Wir brauchen Atomwaffen zu unserer Sicherheit.“ Falsch: Atomwaffen erhöhen aufgrund ihrer Modernisierung und größerer Zielgenauigkeit die Kriegsgefahr.
  • „Als NATO-Mitglied diesen Vertrag der Vereinten Nationen zu unterschreiben und zu ratifizieren, würde eine Verletzung der Bündnispflichten bedeuten.“ Falsch: Studien belegen die Vereinbarkeit dieses Atomwaffenverbotsvertrags mit bestehenden Sicherheitsabkommen der NATO. NATO-Staaten und Alliierte, die dem Verbotsvertrag beitreten, verletzen nicht ihre Bündnisverpflichtungen.
  • „Die Unterzeichnung des Atomwaffen-Verbots-Vertrages würde den Vertrag über die Nichtverbreitung von Atomwaffen aus dem Jahre 1968 untergraben.“ Falsch: Genau das Gegenteil ist der Fall. Artikel 18 des Atomwaffen-Verbots-Vertrags sagt klar und deutlich, dass Verpflichtungen aus anderen Verträgen nicht angetastet werden.

Der Gründungsvertrag der NATO aus dem Jahre 1949, nimmt keinen expliziten Bezug auf Atomwaffen. Die nukleare Abschreckungspolitik wird zwar im strategischen Konzept der NATO von 2010 festgeschrieben. Diese Vereinbarung ist jedoch eine politische Erklärung, kein rechtlich verbindliches Abkommen. Das strategische Konzept beschreibt einerseits, dass die NATO eine nukleare Allianz bleibt, solange Atomwaffen existieren. Gleichzeitig begrüßt werden Abrüstungsbemühungen und die Schaffung der dafür notwendigen Bedingungen.

Eine notwendige Bedingung wäre die Unterzeichnung und Ratifizierung des Atomwaffenverbotsvertrages, die Abrüstungsbemühungen wären die Rückkehr zu Verhandlungen und Abrüstungsverträgen weltweit, zu vertrauensbildenden Maßnahmen, zur Stärkung internationaler Institutionen wie Vereinte Nationen, OSZE und Europarat.

Raymond Becker
Mitglied des Koordinationsteams
der Friddens- a Solidaritéitsplattform Lëtzebuerg.

Aachener Friedenspreis 2019: Mat engem gudde Kolleg em Dietmar Mirkes (Klimabündnis Lëtzebuerg), mais virun allem de Präisträgerinnen Elke Koller an Marion Küpker.
Aachener Friedenspreis 2019: Mat engem gudde Kolleg em Dietmar Mirkes (Klimabündnis Lëtzebuerg), mais virun allem de Präisträgerinnen Elke Koller an Marion Küpker.