Steadfast Noon – Eine Übung der besonderen Art.

Hat die Übung zufällige Ähnlichkeit mit dem Filmtitel des US-Western „High Noon“ von Fred Zinnemann aus dem Jahre 1952? Der Film ist bis heute einer der renommiertesten Hollywood-Western. Die Geschichte erzählt den einsamen Kampf eines heldenhaften „Town Marshals“ gegen seinen schurkenhaften Todfeind und dessen Gangsterclique.

„Steadfast Noon“ übersetzt etwa „Standhafter Mittag“ ist die Bezeichnung einer jährlich durchgeführten NATO-Bündnisübung. Hier wird unter relativer Geheimhaltung, der Einsatz von Jagdbombern trainiert, die im Falle eines Falles mit Atombomben bestückt werden können. Besagte Atomkriegsübung fand dieser Tage statt. « Honi soit qui mal y pense », beim Gedanken an den Heldenhaften und den Schurken in besagtem Western.

Laut dem Direktor des Berliner Informationszentrums für Transatlantische Sicherheit, Otfried Nassauer, stellt das Manöver eine Übung dar, wie man die US-Atomwaffen sicher aus den unterirdischen Magazinen zu den Flugzeugen transportiere und unter die Kampfjets montiere. Bei den stattfindenden Flugtrainings, werde nach Angaben des Friedensforschers, ohne Bomben geflogen.

Die „Federation of American Scientists“ berichtet, dass sich an der diesjährigen Übung atomwaffenfähige Flugzeuge aus Belgien, Deutschland, den Niederlanden und Italien beteiligen. Warum diese Länder?

In einem rezenten Bericht für die parlamentarische Versammlung der NATO, wurde erstmals in einem Dokument das offene Geheimnis aller Militär-Stützpunkte enthüllt, an denen US-Atomwaffen in Europa stationiert sind. Laut dem Dokument stationieren die Vereinigten Staaten im Rahmen der Nato-Kooperation „ungefähr 150 Nuklearwaffen, nämlich B61-Fliegerbomben“ für den Einsatz auf doppelt verwendbaren Kampfflugzeugen der USA und der Alliierten. „Diese Bomben sind an folgenden sechs US-amerikanischen und europäischen Basen gelagert: Kleine Brogel in Belgien, Büchel in Deutschland, Aviano und Ghedi-Torre in Italien, Volkel in den Niederlanden und Incirlik in der Türkei“.

Im Grenznahen Büchel bei Cochem, werden laut Friedensforschern 20 amerikanische Atombomben der Generation B61-3/4 gelagert. Dieser Bombentyp hat eine einstellbare Sprengkraft von 0,3 bis 170 Kilotonnen TNT, maximal also etwa das 13fache der Hiroshima-Bombe. Dass diese Massenvernichtungswaffen nicht zu Ausstellungszwecken dort gelagert sind, beweist die aktive Teilnahme des Fliegerhorsts Büchel an diesem „Steadfast Noon“.

Im weltweiten nuklearen Aufrüsten, besonders zwischen den USA und Russland, werden die Modernisierungsprogramme dieser Waffen forciert. Manche Weiterentwicklung dieser Bomben ist rezent ins Stocken geraten, wie bei den neuen amerikanischen B61-12. Aber nicht nur in den USA hakt es beim nuklearen Wettrüsten. Russland hat ebenfalls seine Probleme. Ein missglückter Test eines neuen Raketentyps auf einem Testgelände der russischen Marine im August am Weißen Meer bewies dies mit traurigem Ausgang. 6 Todesopfer waren zu beklagen. Über eine etwaige radioaktive Verseuchung schweigt „des Sängers Höflichkeit“. Nichtsdestotrotz werden weiterhin ungehemmt enorme Geldmittel investiert, um neue Atomwaffen zu perfektionieren. Zielgenauer, mit geringerer Sprengkraft ausgestattet und allgemein leichter einsetzbar sind die Vorgaben. Büchel, wie auch die anderen europäischen Standorte, stehen auf der Modernisierungsliste kommender amerikanischer Atombomben des Typs B61-12. Diese Bomben gehören zu den modernsten Atomwaffen der USA.

Der Physiker Theodore Postol ist Professor für Wissenschaft, Technologie und nationale Sicherheitspolitik am Massachusetts Institute of Technologie, Hans M. Kristensen leitet das Nuclear Information Project der Föderation Amerikanischer Wissenschaftler und Matthew McKinzie das Nuklearprogramm des Natural Resources Defense Council (NRDC). Ihre Stellungnahmen haben Gewicht.

Bei all den atomaren Modernisierungsprogrammen leiten die Wissenschaftler folgendes ab: „In Wirklichkeit geht es aber darum, durch die Einführung revolutionärer neuer Technologien die Zielerfassung und Treffsicherheit der ballistischen Raketen der USA gewaltig zu verbessern. Durch diese erstaunlichen Verbesserungen wird das Vernichtungspotenzial der vorhandenen US-Atomwaffen fast verdreifacht: Solche Vorbereitungen trifft ein Atomwaffenstaat nur, wenn er vorhat, einen Atomkrieg zu führen und zu gewinnen, indem er seine Feinde durch einen überraschenden atomaren Erstschlag entwaffnet.“ Eine ähnliche Feststellung könnte man sicher auch beim russischen Modernisierungsprogramm formulieren.

Bei den neuen B61-12 Bomben, deren Stationierung in den kommenden Jahren in Europa geplant sind, handelt es sich um sogenannte bunkerbrechende Atom-Bomben. Ihre Zielgenauigkeit liegt bei 30 Meter, bisher bei den in Europa eingelagerten Bomben der älteren Generation, ist diese Genauigkeit etwa bei 100 Meter.

Diese erhöhte Zielgenauigkeit, die erdeindringende (bunkerbrechende) Fähigkeit der neuen Waffen, dies mit einer geringeren Sprengkraft für die gleichen Ziele, ergibt neue militärische Optionen. Frei nach machiavellischer Intelligenz, sehen die Kriegsplaner bei Waffen, die sich präzise lenken lassen und deshalb ihr Ziel mit weniger Sprengkraft vernichten, eine geringere Druckwelle, Hitze und Strahlung erzeugen, einen weiter Anreiz nuklearer, makabrer Gedankenspiele. Atomwaffen, die keine großen Brände mehr auslösen, setzen keine Unmengen an radioaktivem Ruß mehr frei, folglich gäbe es auch fast keinen nuklearen Winter mehr, so die weitere Argumentation. Mit diesen verharmlosenden Erklärungen eines begrenzt fühlbaren nuklearen Krieges, rechnen die militärischen Falken, gestützt von einer mächtigen Rüstungslobby, mit weniger Widerspruch der politischen Entscheidungsträger im Falle eines Falles.

Die Organisation IPPNW ist ein internationaler Zusammenschluss von Human-, Tier- und Zahnärzten, die sich unter anderem vor allem für die Abrüstung atomarer Waffen einsetzt. Für sie sind solche Gedankenspiele einfach nur hanebüchen. „Neue Studien verweisen darauf, dass selbst ein regional begrenzter Atomkrieg unmittelbar das Leben von Zehnmillionen von Menschen gefährden könnte und unvorhersehbare klimatische Veränderungen mit sich bringen würde. Die auf einen atomaren Schlagabtausch folgenden Hungersnöte könnten einer Milliarde Menschen das Leben kosten.“

Einen beherrschbaren Atomkrieg gibt es nicht, dies ist ein Alptraum! Die sogenannte Doomsday Clock, steht auf zwei Minuten vor Zwölf. Die Gefahr eines Atomkriegs ist so hoch wie bei der sogenannten Kuba-Krise im Jahre 1962. Übungen wie „Steadfast Noon“, hanebüchene Überlegungen einer Rüstungslobby oder das verrückte atomare Wettrüsten, dürfen keine Zukunft mehr haben. Ein erster wichtiger Schritt wäre die Ächtung aller Atomwaffen. Konkret bedeutet dies, die Unterzeichnung und Ratifizierung des seitens der Vereinten Nationen im Juni 2017 beschlossenen historischen Vertrags zum Verbot aller Atomwaffen. Bei 50 Ratifizierungsstaaten, tritt dieser völkerrechtlich wichtige Vertrag in Kraft. Zurzeit braucht es noch 17 Ratifizierungen. Diese werden in absehbarer Zeit bei den Vereinten Nationen eingehen. Ansonsten könnte der Friedensforscher Robert Kelley recht behalten: „Ja, ich denke, uns steht eine gefährliche Zeit bevor.“

Wir dürfen es nicht soweit kommen lassen.

Raymond Becker
Mitglied des Koordinationsteams
der Friddens- a Solidaritéitsplattform Lëtzebuerg.