„Die Coronavirus-Pandemie hat deutlich gemacht, dass eine verstärkte internationale Zusammenarbeit dringend erforderlich ist, um Bedrohungen für die Gesundheit und das Wohlergehen der Menschheit anzugehen. Unter diesen Bedrohungen bleibt die Gefahr eines Atomkrieges von größter Bedeutung.“
In einem offenen Brief forderten am vergangenen Weltfriedenstag dem 21. September, 56 Ex- Staatschefs, -Außen und -Verteidigungsminister, das weltweite Verbot aller Atomwaffen. Unter den Unterzeichnern befinden sich Politiker wie die ehemaligen NATO-Generalsekretäre Javier Solana und Willy Claes.
Mit ihrem eindringlichen Appell wollen die Initiatoren die Staats- und Regierungschefs ihrer Länder ermutigen, dem Vertrag über das Verbot von Kernwaffen beizutreten. Im Jahr 2017 haben 122 Länder im Rahmen der Vereinten Nationen (UN), den Vertrag über ein weltweites Verbot aller Atomwaffen in die Wege geleitet. Bis Mitte Oktober 2020 hatten 84 Staaten das Vertragswerk unterzeichnet, 47 Staaten haben den Vertrag bereits ratifiziert. Bei 50 Ratifizierungen tritt das UN-Atomwaffenverbot in Kraft. Es wird so eine völkerrechtliche Norm wie bei den biologischen und chemischen Waffen.
Interessanterweise befinden sich bei den Initiatoren des offenen Briefes Vertreter aus 20 NATO-Staaten. Sie widersprechen eindeutig der sturen Haltung der aktuellen NATO-Politik. Denn mit dieser Politik “fördern wir den gefährlichen Irrglauben, dass Atomwaffen Sicherheit bringen”, so im eindringlichen Appell.
Mal Klartext:
- Der Gründungsvertrag der NATO aus dem Jahre 1949, nimmt keinen expliziten Bezug auf Atomwaffen. Die nukleare Abschreckungspolitik wird zwar im strategischen Konzept der NATO von 2010 festgeschrieben. Diese Vereinbarung ist jedoch eine politische Erklärung, kein rechtlich verbindliches Abkommen.
- Atomwaffen erhöhen aufgrund ihrer Modernisierung und größerer Zielgenauigkeit die Kriegsgefahr. Ihre Steuerungs- und Kontrollsysteme werden zunehmend anfälliger für Cyber-Angriffe.
- Juristische Studien belegen die Vereinbarkeit dieses Atomwaffenverbotsvertrags mit bestehenden Sicherheitsabkommen der NATO. NATO-Staaten und Alliierte, die dem Verbotsvertrag beitreten, verletzen nicht ihre Bündnisverpflichtungen.
- Der vorliegende UN-Atomwaffen-Verbots-Vertrag untergräbt keine Verpflichtungen aus anderen Verträgen, wie den Vertrag über die Nichtverbreitung von Atomwaffen (NVV) aus dem Jahre 1968.
Anfang Juli 2019 fand in Luxemburg die parlamentarische Versammlung der OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa) mit seinen 57 Teilnehmerstaaten und 11 Partnerstatten statt. In der Abschlusserklärung heißt es u.a.: „Urges participating States to sign the Treaty on the Prohibition of Nuclear Weapons of 2017, the first legally binding international agreement to comprehensively prohibit nuclear weapons, with the goal of their total elimination. “ Was sind solche Erklärungen wert, wenn diese auch in Luxemburg nicht beachtet werden. Man hüllt sich hierzulande mit Verweis auf die NATO-Mitgliedschaft in vornehmes Schweigen.
Da geht die neue belgische Regierung, zumindest mal in ihrer Regierungserklärung, etwas forscher an das Thema.
Anfang 2021 ist eine internationale Überprüfungskonferenz des Vertrags über die Nichtverbreitung von Atomwaffen (NVV) auf der Tagesordnung. Dieser Vertrag ist ein internationales Abkommen, der das Verbot der Verbreitung und die Verpflichtung zur Abrüstung von Kernwaffen sowie das Recht auf die „friedliche Nutzung“ der Kernenergie zum Gegenstand hat.
Die Position Belgiens ist im Zusammenhang mit dieser Überprüfungskonferenz interessant. Die Regierungserklärung enthält einen positiven Verweis auf das UN-Atomwaffenverbot. So will Belgien bei der Konferenz zur Überprüfung des NVV, eine proaktive Rolle spielen und gemeinsam mit den europäischen NATO-Verbündeten untersuchen, wie der multilaterale Nichtverbreitungsrahmen gestärkt werden kann und wie der UN-Vertrag über das Verbot von Kernwaffen der multilateralen nuklearen Abrüstung neuen Schwung verleihen kann.
Mal sehen, wie der luxemburgische NATO-Verbündete auf die Initiative Belgiens reagieren wird.
Atomwaffen sind die schrecklichsten Waffen, die jemals erfunden wurden. Atomwaffen bringen keine Sicherheit, sie sind die einzigen Waffen, die alle komplexen Lebensformen auf unserer Welt definitiv zerstören könnten. Aus humanitären und ökologischen Gründen ist die Abschaffung dieser Waffen eine Notwendigkeit. Aus wirtschaftlichen Gründen sind Atomwaffen unhaltbar. Internationale Organisationen rechnen vor: Nuklearwaffenprogramme nehmen einen riesigen Anteil der öffentlichen Ausgaben in Anspruch, die für das Gesundheitssystem, für Bildung, Katastrophenhilfe und andere wichtige Aufgaben benötigt werden. Die neun Atommächte geben jedes Jahr mehr als 105 Milliarden US-Dollar aus, um ihre Nuklearwaffenarsenale instand zu halten und zu modernisieren.
Das UN-Atomwaffenverbot wird kommen, schneller als manch einer es sich vorstellen konnte. Es wird ein wichtiger Schritt für das humanitäre Völkerrecht darstellen und es wird Einfluss auf die mehr als zähen Abrüstungsverhandlungen zwischen den USA und Russland, welche im Besitz von rund 90% aller Atomwaffen sind, haben.
Raymond Becker
Koordinationsteam der Friddens- a Solidaritéitsplattform