Ein düsteres Panorama und 90 Sekunden.

Das Weltwirtschaftsforum (WEF) veröffentlicht seit 17 Jahren jeweils im Januar einen jährlichen Risikobericht zur Lage der Welt, den “World Risks Report”. Dieser Bericht basiert auf einer Umfrage bei 1.200 Fachleuten, Wissenschaftlern, Politikern und Risikomanagern. Ihr Fazit dieses Jahr beschreibt ein düsteres Panorama. Bei aller berechtigter Kritik am WEF, sein jährlicher Risikoreport ist ein wichtiges Meinungsbild.

Die weltweite Pandemie und der Krieg in Europa haben die Energie, Inflations-, Nahrungsmittel- und Sicherheitskrisen wieder in den Vordergrund gerückt. Daraus ergeben sich Folgerisiken, die in den kommenden beiden Jahren dominieren werden: das Risiko einer Rezession, eine wachsende Verschuldung, eine anhaltende Krise der Lebenshaltungskosten, eine weitere Polarisierung von Gesellschaften durch Des- und Fehlinformation so der Bericht.

Der Weckruf für dieses Jahrzehnt ist alarmierend: Wenn die Welt nicht beginnt, beim Klimaschutz und bei der Anpassung an den Klimawandel effektiver zusammenzuarbeiten, wird dies in den nächsten Jahren zu einer weiteren globalen Erwärmung und zum ökologischen Zusammenbruch führen. Ein Scheitern bei der Eindämmung des Klimawandels und der Anpassung an seine Folgen, Naturkatastrophen, der Verlust der biologischen Vielfalt und die Umweltzerstörung stellen fünf der 10 größten Risiken dar, wobei der Verlust der biologischen Vielfalt für das kommende Jahrzehnt als eines der sich am schnellsten verschärfenden globalen Risiken betrachtet wird. Das WEF befürchtet, dass geopolitische Rivalitäten, gekennzeichnet durch gewalttätige und skrupellose Machtpolitik und eine Orientierung nach innen, sowohl wirtschaftliche Zwänge als auch kurz- und langfristige Risiken weiter verschärfen.

Es besteht die berechtigte Gefahr, dass diese Risiken Bemühungen zur Bewältigung längerfristiger Gefahren untergraben, insbesondere im Zusammenhang mit dem Klimawandel und der biologischen Vielfalt. Der Bericht verdeutlicht, dass sich das Zeitfenster für Maßnahmen gegen die schwerwiegendsten langfristigen Bedrohungen rasch schließt. Daher seien schnelle und konzertierte, kollektive Maßnahmen erforderlich, ehe Risiken einen Kipppunkt mit unumkehrbaren Folgen erreichen. Es dürfe keinen Stillstand bei dringenden Klimaschutzmaßnahmen geben.

90 Sekunden vor Mitternacht.

Bei der „Doomsday-Clock“, der sogenannten „Weltuntergangsuhr“ handelt es sich nicht um eine echte Uhr, sondern um ein vom „Bulletin of the Atomic Scientists“ entworfenes Symbol, das ein Viertel einer Uhr mit Zeigern zeigt, die als Metapher dafür dienen, „wie nah wir an der Zerstörung unserer Welt sind“. Die Organisation aktualisiert jeweils im Januar die Einstellung der Zeiger.

Im Jahre 1947 wurde das Uhrensymbol als Analogie für die Bedrohung durch einen Atomkrieg entworfen, die durch das Wettrüsten im Kalten Krieg zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion ausgelöst wurde. Zu den Wissenschaftlern, die ursprünglich hinter diesem Uhrsymbol standen, gehörten einige, wie Einstein und Oppenheimer, die am sogenannten Manhattan-Projekt beteiligt waren, ein Projekt in dessen Rahmen die erste Atombombe der Welt gebaut wurde.

Bei der Einführung der Uhr, ging es um die Angst vor einem Atomkrieg. Für die Wissenschaftler war damals eine solche Auseinandersetzung die größte Bedrohung für die Menschheit. Auf 7 Minuten vor Mitternacht zeigte vor 76 Jahren die erste Einstellung dieser symbolischen Uhr. 1991 am Ende des sogenannten „kalten Krieges“ und dem Inkrafttreten internationaler Atomabrüstungsverträge rückte die Uhr auf 17 Minuten vor Mitternacht. Seit zwei Jahren steht die Uhr auf 100 Sekunden vor 24Uhr. Für die Verantwortlichen des „Bulletin of the Atomic Scientists“, dreht sich die Angst heutzutage auch um den Klimawandel, den Bioterrorismus, die potenzielle Bedrohung durch künstliche Intelligenz und Schäden, die durch Fehl- und Desinformation ausgelöst werden.
Der Zweck dieser Uhr ist es, die Öffentlichkeit zu warnen, wie nah oder wie weit die Menschheit am Rande der weltweiten Zerstörung steht.

Für die diesjährige Einstellung wurden laut den Verantwortlichen der Russland-Ukraine-Krieg, die Modernisierung von Atomwaffen, Irans Atomprogramm, die anhaltende Klimakrise, staatlich geförderte Desinformationskampagnen und disruptive Technologien, wie Bio- und Cybersicherheit, besonders berücksichtigt.
Vor wenigen Stunden wurde die Uhr auf 90 Sekunden vor Mitternacht eingestellt. So nah am Abgrund stand die Bedrohung einer Selbstzerstörung der Menschheit noch nie seit Bestehen der „Doomsday-Clock“.

In der Presseerklärung des „Bulletin“ heißt es: „Die Weltuntergangsuhr wurde auf 90 Sekunden vor Mitternacht eingestellt, was vor allem, aber nicht ausschließlich, auf den Einmarsch Russlands in der Ukraine und das erhöhte Risiko einer nuklearen Eskalation zurückzuführen ist. Die neue Uhrzeit wurde auch durch die anhaltende Bedrohung durch die Klimakrise und den Zusammenbruch globaler Normen und Institutionen beeinflusst, die zur Eindämmung von Risiken im Zusammenhang mit fortschreitenden Technologien und biologischen Bedrohungen wie COVID-19 erforderlich sind.“

Die ehemalige UN-Kommissarin für Menschenrechte Mary Robinson brachte es auf den Punkt: „Die „Doomsday Clock“ schlägt Alarm für die gesamte Menschheit. Wir befinden uns am Rande eines Abgrunds. Aber unsere Staats- und Regierungschefs handeln nicht schnell und umfassend genug, um einen friedlichen und lebenswerten Planeten zu sichern. Wir wissen, was zu tun ist, von der Senkung der Kohlendioxidemissionen über die Stärkung von Rüstungskontrollverträgen bis hin zu Investitionen in die Pandemievorsorge. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse sind eindeutig, aber es fehlt der politische Wille. Das muss sich 2023 ändern, wenn wir eine Katastrophe abwenden wollen. Wir stehen vor multiplen, existenziellen Krisen. Führungskräfte brauchen eine Krisenmentalität“. Dem wäre eigentlich nichts hinzuzufügen.

Die anstehenden Gemeinde- und Parlamentswahlen in Luxemburg geben Gelegenheit abzuklären, was wir denn eigentlich aufgrund dieses düsteren Panoramas und dieser 90 Sekunden konkret tun müssten.

Raymond Becker
Koordinationsteam Friddens- a Solidaritéitsplattform