79. Jahrestag „Hiroshima-Nagasaki“

Echternach 5. – 6. August 2024

Einleitende Bemerkungen zum Film „Oppenheimer“ – Ciné Sura 5. August

Raymond Becker – Friddens- a Solidaritéitsplattform Lëtzebuerg

Dank an die Gemeinde Echternach, dass die Bürgermeisterin als eine „Mayor for Peace“ der Anfrage des Gemeindesyndikates SYVICOL und der Friddens- a Solidaritéitsplattform spontan gefolgt ist und sich bereit erklärte die jährliche Gedenkzeremonie an die Atombombenabwürfe am 6. und 9. August in Hiroshima und Nagasaki zum 79jährigen Jahrestag zu veranstalten.

Dank auch an die Verantwortlichen des Ciné Sura, welche diesen Filmabend im Rahmen dieser Gedenkveranstaltung ermöglichten.

„Jetzt bin ich der Tod geworden, der Zerstörer der Welten“.

Robert Oppenheimer zitierte nach dem ersten Atombombentest des Öfteren diese Zeilen aus der Bhagavad Gita, einer Heiligen Schrift des Hinduismus. Oppenheimers Erinnerung an die Reaktionen direkt nach dem ersten Bombentest beschrieb er wie folgt: „„Wir wussten, dass die Welt nicht mehr dieselbe sein würde. Ein paar Leute lachten, ein paar Leute weinten, die meisten Leute waren still.“

Für Oppenheimer und viele an dem Projekt beteiligten Wissenschaftler wurde immer offensichtlicher: Wir haben die Büchse der Pandora geöffnet.

Die Zweifel des J. Robert Oppenheimer werden im Film auf eindrucksvolle Weise dargestellt: Als die Nachricht von der Zerstörung Hiroshimas in Los Alamos (New Mexiko) eintrifft, vermischt sich der überschwängliche Jubel der versammelten Wissenschaftler, Soldaten, Frauen und Männer in Oppenheimers Kopf mit Bildern von verbrannten Leichen, sich ablösender Haut und Hilfeschreien.

Unmittelbar nach Hiroshima wurde er zum berühmtesten Wissenschaftler seiner Generation – eine der Ikonen des 20. Jahrhunderts, die Verkörperung des modernen Menschen, der sich mit den Folgen des wissenschaftlichen Fortschritts auseinandersetzt.

Der Film „Oppenheimer“ ist nicht einfach ein biographischer Film über einen der genialsten Physiker seiner Zeit. J. Robert Oppenheimer bestach durch seine außergewöhnliche Intelligenz und seinem wissenschaftlichen Forschungsdrang.

Der Film inspiriert sich im Wesentlichen auf die mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnete Biografie von Kai Bird und Martin J. Sherwin, „American Prometheus: The Triumph and Tragedy of J. Robert Oppenheimer“.

Die Autoren erforschen die Facetten dieses einzigartigen Schicksals, das für sich genommen die Geschichte des 20. Jahrhunderts zusammenfasst: Wahnsinn des Krieges, Paranoia des McCarthyismus, Fortschrittsdrang, Wettlauf in den Abgrund. Der Film vermittelt diese Zusammenfassung recht gut.

Der Film will aber vor allem einer breiten Öffentlichkeit bewusst machen, wie gefährlich Atomwaffen sind und dass die Staaten nicht in der Lage sind, die Folgen einer solchen Katastrophe zu bewältigen. In dieser Aussage sind das internationale Rote Kreuz und die internationale Rothalbmond-Bewegung sehr deutlich.

In den letzten Jahren haben die nuklearen Risiken zugenommen, da die Arsenale immer noch riesig groß sind und die Modernisierungs- und Erneuerungsprogramme aller 9 Atomwaffenstaaten fortgesetzt werden. Diese Programme führen dazu, dass in militärischen Strategien die Führbarkeit eines nuklearen Krieges nicht mehr konsequent ausgeschlossen wird. Eine fatale Einschätzung, da nukleare Kriege nicht zu gewinnen sind.

Weltweit gibt es 12.512 Atombomben insgesamt, davon sind direkt 3.844 Bomben einsatzbereit. Diese direkt einsatzbereiten Bomben steigen rasant an. Ein mehr als besorgniserregender Trend. Für das renommierte Friedensforschungsinstitut SIPRI ist das Risiko des Einsatzes von Atomwaffen jetzt höher als zu jedem Zeitpunkt während des sogenannten Kalten Krieges.

Forscher einer rezenten Studie schätzen, dass es gerade einmal 100 Atombomben benötigen würde, um eine globale Verwüstung zu verursachen. Selbst wenn diese Atombomben nur auf ein Land abgeworfen werden würden, hätte dies weltweit verheerende Folgen.

91,4 Milliarden Dollar wurden 2023 für diese mörderischen Waffen ausgegeben, dies sind über 173.000 Dollar pro Minute.

Die Weltuntergangsuhr (Doomsday Clock), oft verkürzend Atomkriegsuhr genannt ist eine symbolische Uhr der renommierten Zeitschrift „Bulletin of the Atomic Scientists“. Sie soll der Öffentlichkeit verdeutlichen, wie groß das derzeitige Risiko einer globalen Katastrophe, insbesondere aufgrund eines Atomkrieges oder einer Klimakatastrophe, ist.

Die Uhr steht zurzeit auf 90 Sekunden vor Mitternacht. Zum Vergleich, im Jahr 1990, also zum Ende des sogenannten Kalten Kriegs, stand die Uhr auf 10 Minuten vor Mitternacht.

Ohne Zweifel, es ist ein visuell beeindruckender Film gelungen, der die Geheimnisse des Manhattan Projects und die heiklen Entwicklungen in Los Alamos eindrucksvoll einfängt.

Was der Film aber nicht zeigt:

Ohne die Geschichten der Betroffenen von Atomwaffen zu würdigen, versäumt er es jedoch, ein vollständiges und ausgewogenes Bild der historischen Ereignisse zu zeichnen.

Bevor im Film die erste Atomwaffe der Welt gebaut ist, wird nach und nach ein Fischglas mit Murmeln gefüllt. Das große Glas soll verdeutlichen, welche Unmengen an Uran und Plutonium für den Bau der Bombe benötigt werden.

Was nicht gezeigt wird: Hinter jeder dieser Murmeln stehen unzählige Geschichten von Menschen, die unter dem Uranabbau besonders im damaligen Belgisch-Kongo unter sklavenartigen Bedingungen fürchterlich gelitten haben. Ohne die Lieferungen aus dem Shinkolobwe-Bergwerk in der Provinz Katanga, wäre die Atombombe nicht in dieser doch kurzen Zeitspanne zu bauen gewesen.

Auch unerwähnt bleiben die Stimmen der Menschen, die für den Bau von Los Alamos radikal und brutal vertrieben wurden. Stattdessen sehen wir den Hauptcharakter in mehreren Szenen romantisch durch die scheinbar menschenleere Wüste New Mexicos reiten. Keine Spur der indigenen Viehzüchter in dieser Region.

Unerwähnt bleiben zudem die Betroffenen des ersten Atomtests „Trinity“ und der tausenden atomaren Tests, die danach über dem Globus verteilt stattfanden.

Nicht einmal die hunderttausenden Opfer von Hiroshima und Nagasaki erhalten im Film eine würdige Stimme.

Und zu guter Letzt, der Film hätte aufzeigen können, dass es einen Plan gibt, die Welt für immer von Atomwaffen zu befreien.

Oppenheimer hat der Welt gezeigt, wie Atomwaffen funktionieren; der Vertrag der Vereinten Nationen über das weltweite Verbot von Atomwaffen muss es uns ermöglichen, diese Geschichte, die uns alle betrifft, zu beenden!

Picture: The building still standing in the background is the Hiroshima Prefectural Industrial Promotion Hall, now preserved as the Atomic Bomb Dome.
Image: AP Photo/Stanley Troutman