Von „Gedeessems“ und keiner Unterschrift.

Am 22. Dezember kam es bei der geplanten Unterzeichnung der Echternacher Basilika-Konvention zum Eklat. Der Erzbischof verweigerte die Unterschrift! Die lokale Kirchenfabrik hatte sich einer Klage des Syndikates der Kirchenfabriken gegen den Erzbischof, den Staatsminister und den Innenminister angeschlossen, um gegen die geplante gesetzliche Abschaffung der bestehenden Kirchenfabriken juristisch vorzugehen.

In einer Sondersitzung des Gemeinderates, welche auf Drängen von „déi gréng“ einberufen wurde und an der auch die Mitglieder der Kirchenfabrik teilnahmen, war die Stellungnahme unserer Fraktion klar:

  • Die internen Streitereien der Kirche interessieren uns nicht. Recht hat der Staatsminister mit seiner Aussage „dat Gedeessems sollen se ënnertenee regelen“.
  • Wir machen keine Aussage zur eingereichten Klage. Dies ist ein juristischer Prozess, die Gerichte werden entscheiden.
  • Wichtig war, dass die Besitzverhältnisse der lokalen Kirchenfabrik offengelegt wurden.
  • Die Gemeinde hat Anweisungen des Innenministeriums Rechnung zu tragen. Sie wurde aufgefordert, die Eigentumsverhältnisse der Kirchengebäude zu klären und vorzuschlagen, wie die Zukunft dieser Gebäude zu sehen ist. Für Echternach gab es bei den 4 Kirchengebäuden eine Ausnahme für die Basilika. Eine Konvention zwischen Staat, Gemeinde und Bistum, sollte die Aufteilung des Defizites der Unterhaltskosten nach dem Schlüssel 50%-25%-25% regeln. Die restlichen 3 Gebäude sollten in den Fonds übergehen.
  • Als Fraktion haben wir ein eindeutiges Bekenntnis zur Basilika-Konvention abgelegt. Bei dieser Konvention geht es um die Absicherung eines historischen Gebäudes von großem spirituellem, kulturellem, sozialem und touristischem Wert.
  • „déi gréng“ haben einen Vorschlag unterbreitet, der die Basilika-Konvention hätte retten können. Wir waren der Meinung, die lokale Kirchenfabrik hätte sich im Interesse der Basilika von der eingereichten Klage distanzieren müssen, d.h. sie hätte sich als Mitklägerin zurückziehen müssen. Nichts hätte sie daran gehindert, in einem Schreiben an den Bischof darauf hin zu weisen, dass sie weiterhin von der Notwendigkeit einer juristischen Klärung der Sachfrage überzeugt ist. Dieser Vorschlag wurde leider angelehnt. Dem Bischof wurde lediglich erklärt, die Klage sei nicht gegen ihn persönlich gerichtet.
  • Eine Aussprache über die Zukunft der historischen Peter und Paul-Kirche wurde von der Kirchenfabrik abgelehnt. Das Gesetzesprojekt stünde auf unsicheren juristischen Füssen. Man wolle zurzeit nichts diskutieren.

Ich habe in Gesprächen den Eindruck gewonnen, dass es bei der internen Auseinandersetzung innerhalb der Kirche nur vordergründig um die juristische Zukunft der Kirchenfabriken geht. Gezielt wird auf den Erzbischof, dem man seine Haltung in den Verhandlungen um die Trennung von Kirche und Staat nicht verzeiht.

Das ganze „Gedeessems“ könnte jedoch für Echternach fatale Folgen haben.

Raymond Becker

Journal am 24.1.2017

Vom Klimapakt zur Bürgerkommune!

„Der Klimawandel drängt zum Handeln. Kaum eine Regierung kann sich dieser Einsicht noch verweigern. (…) Vom Pariser Klimagipfel wird hoffentlich ein deutliches Signal ausgehen, dass Klimaschutz und ökologische Transformation nur im Zusammenwirken mit der Zivilgesellschaft machbar sind.“ Heinrich Böll Stiftung zur anstehenden COP21 in Paris.

Hierzulande ist man sich bewusst, dass um unsere nationalen Klimaziele zu erreichen, dass wir das Engagement der lokalen Akteure brauchen. Der Klimapakt, eine Vereinbarung zwischen dem Staat und den Gemeinden, bietet hier eine ideale Plattform. Dieser Pakt sieht vor, dass eine Gemeinde die sich engagiert konkrete Initiativen im Interesse des Klimaschutzes zu ergreifen, vom Staat finanziell unterstützt wird. Tut die Gemeinde dies mit Erfolg, wird sie zertifiziert. Zurzeit haben 95 der 105 luxemburgischen Gemeinden diesen Pakt unterschrieben. Viele dieser Gemeinden sind auf gutem Weg mit mindestens Bronze oder Silber zertifiziert zu werden. Gar 3 Gemeinden und eine Region schafften es, die höchste Zertifizierung den „European Energy Award Gold“ zu erreichen. Von den 95 Gemeinden haben bis dato 42 eine dieser Stufen geschafft.

So manches wurde im Rahmen dieser Zertifizierungen in den 6 Kategorien Raumplanung und Konstruktionen, Kommunale Bauten und Anlagen, Ver- und Entsorgung, Mobilität, interne Organisation sowie Kommunikation und Kooperation umgesetzt oder in die Wege geleitet.

Mit der konsequenten Umsetzung des Klimapaktes kann man eine Gemeinde oder eine Region fit für die Zukunft, nachhaltig gestalten. Dies gelingt aber nur, wenn man bei der Umsetzung des Klimapaktes, die kommunale Zivilgesellschaft einbindet. Die Menschen vor Ort müssen begeistert werden von einer Vision ihre Gemeinde mitumzugestalten. Genau hier besteht in manchen Gemeinden Handlungsbedarf. Die Arbeiten bei der Umsetzung des Klimapaktes dürfen nicht nur von einigen, wenigen politisch und administrativ Verantwortlichen unter Mithilfe externer Berater und einem quasi pro forma Klimateam gestaltet werden. Dies funktioniert zum Erreichen einer Zertifizierung, dies funktioniert zum Werben in Wahlkampagnen, aber es scheitert mittelfristig an der Realität vor Ort. Die Realität ist, dass sich BürgerInnen mit den Maßnahmen die im Rahmen des Klimapaktes umgesetzt werden, identifizieren müssen. Gelingt dies, sind die Menschen zu einem Engagement bereit.

Beispiel: In seinen Leitlinien zum Klimapakt gibt sich die Gemeinde langfristig das Ziel eine 2000W-Gesellschaft zu erreichen. Dieses Ziel steht für Begeisterung, Lebensqualität, Verantwortung, Gleichgewicht und Nachhaltigkeit. Das Ziel bedeutet vor allem einen konsequenten Umbau unseres heutigen Energiesystems. Hierfür braucht man Menschen die sich mit Engagement einsetzen.

Max Frisch formulierte, dass Demokratie bedeute, sich in seine eigenen Angelegenheiten einzumischen. Genau hier müsste die Umsetzung des Klimapaktes ansetzen. Der Prozess müsste zum Aufbau einer Bürgerkommune genutzt werden. Dies bedarf einer wesentlichen Voraussetzung: Kommunale Politik muss Mitmachmöglichkeiten und Betätigungsfelder schaffen und bereit zur Kooperation sein.

Sollte dies in einem Klimapakt-Prozess gelingen, wäre es eine hypothetische Platinium-Zertifizierung wert.

Raymond Becker

Gemeinderatsmitglied „déi gréng“ in Echternach.

In leicht gekürzter Version veröffentlicht im „Journal“ am 17.11.2015

Klimapakt, 2000 Watt und Laudato si‘.

Dieser Tage verabschiedete der Echternacher Gemeinderat das Leitbild für eine nachhaltige Entwicklung und einen ersten Maßnahmenkatalog im Rahmen der Umsetzung des kommunalen Klimapaktes.

Auf Initiative der „déi gréng“-Fraktion wurde das langfristige Ziel einer 2000 Watt-Gesellschaft festgeschrieben.

Was bedeutet dieses Ziel? Wissenschaftler/Innen der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH) haben ausgerechnet wie viel Energie jeder Mensch durchschnittlich verbrauchen darf, damit wir die Klimaerwärmung begrenzen und knappe Ressourcen verantwortungsvoll nutzen. Ihr Resultat: 2000 Watt. Gemäß dieser Vision sollte der Energiebedarf jedes Erdenbewohners einer durchschnittlichen Leistung von 2000 Watt entsprechen und so zu einer globalen gerechten Ressourcenverteilung beitragen. Interessant an dieser einprägsamen Watt-Zahl 2000 ist die Tatsache, dass diese dem durchschnittlichen weltweiten Wert von 1990 entspricht. Heute liegen wir bei etwa 2200 Watt. Nur, es gibt extreme Unterschiede.

Die USA haben einen Mittelwert von 12000 Watt, die Europäer 6000 Watt, Bangladesch liegt bei 500 Watt. Deutschland, Österreich und die Schweiz leben in einer 6500-Watt-Gesellschaft. Nehmen wir mal an, Luxemburg läge in etwa bei diesem Verbrauch. Das wäre mehr als das Dreifache dessen, was uns eigentlich zusteht. Es wäre mehr als unsere Umwelt und unser Klima vertragen können.

Sollen wir also mit 2000 Watt in unseren Breitengraden zurück in die „Steinzeit“, bei Kerzenlicht Bücher lesen und die Wäsche wieder von Hand waschen? Professor Peter Hennicke ist einer der profiliertesten Experten für Energieeffizienz lässt dies nicht gelten. 2000 Watt für alle Erdenbürger wäre zukünftig für neun Milliarden Menschen auf der Erde eine naturverträgliche und verteilungsgerechte Rückkehr zum derzeitigen globalen Durchschnitt, so Hennicke. Er rechnet vor, dass modernste Technik zukünftig eine sehr hohe Reduktion des Energie- und Materialverbrauchs in Industriestaaten ermöglicht. Allein durch diese Reduktion würde im globalen Süden der Spielraum für den unabdingbaren Nachholbedarf in diesen Ländern geschaffen.

Bleibt die Frage unseres ungehemmten Konsumwahns. Modernste Technik hilft bei Einsparungen, wird aber in den Industriestaaten zu einem höheren Konsum verleiten. Somit wäre der Effizienz-Effekt verpufft.

Hier stellt sich nun die Frage der Suffizienz, also des Genug. Es stellt sich die Frage was ein Mensch eigentlich zu einem guten Leben braucht.

Die rezente Enzyklika „Laudato si‘“ von Papst Franziskus (http://w2.vatican.va/content/vatican/de.html) gibt mehr als deutliche Antworten. Der Papst ruft die Welt zu einer ökologischen Revolution auf. Es ist ein Aufruf an jeden Einzelnen, an die Politik und die Wirtschaft. Die Frage, in welcher Welt unsere Kinder später einmal leben sollen, liegt besonders in der Verantwortung unserer Generation. „Laudato si‘“ ruft zu einem neuen Lifestyle der Langfristigkeit, Nachhaltigkeit und Ganzheitlichkeit auf. Der Papst hat in seiner ersten eigenen Enzyklika Umweltzerstörung, Klimawandel und Konsumrausch angeprangert. Franziskus sieht vor allem reiche Länder in der Pflicht, ihren Lebensstil zu verändern. „Wir leben auf Kosten anderer Menschen und das (…) muss verändert werden“. Eine klare Botschaft.

Klimapakt, 2000 Watt und Laudato si‘ sind eng vernetzt. Ich bin der festen Überzeugung, dass diese Vernetzung eine neue Dynamik besonders auf kommunalem Niveau beim Schaffen eines besseren und gerechteren Lebens bringen kann.

Innovative Wege sind möglich. 10 Städte haben sich in der Bodenseeregion zu einer Initiative „Wir leben 2000 Watt“ (www.wirleben2000watt.com) zusammengeschlossen. Mit ganz konkreten Maßnahmen in den Bereichen Ernährung, Konsum, Wohnen und Mobilität zeigen sie, wie eigentlich jeder sich auf den Weg einer 2000 Watt-Gesellschaft begeben kann.

Machen auch wir uns auf den Weg!

Raymond Becker

Gemeiderat der „déi gréng“ in Echternach

Leicht gekürzte Version im Journal vom 25.6.2015

Stadmarketing Echternach

E Gespréich als Invité vun der Redaktioun bei RTL den 30. September 2014

http://radio.rtl.lu/emissiounen/den-invite-vun-der-rtl-redaktioun/570945.html

Gestalten ist mehr als bloßes Verwalten!

Vom Klimapakt und Klimabündnis in Echternach.

Mit der Sommerlektüre ist es ja immer so eine Sache. Durch Zufall fällt man auf einen Kommissar Dupin, der in der Bretagne ermittelt und plötzlich erinnert man sich an einen Politiker mit bretonischen Wurzeln, der als Bürgermeister von Saint-Denis eine Kommunalpolitik prägte, deren Angehensweise interessant und aktuell bleibt. Für Patrick Braouezec spielten in seinem kommunalen Schaffen die soziale Umgestaltung, die Einführung partizipativer Prozesse, die Solidarität mit anderen eine wesentliche Rolle.

In seinen Gesprächen mit dem Journalisten Bernard Loche findet man ein Zitat des französischen Kardinals Richelieu: „La politique n’est pas l’art du possible, mais de rendre possible ce qui est nécessaire.“ Dies trifft den Kern der Kommunalpolitik sehr gut.

Die wunderbaren Möglichkeiten, die einem von Braouezec vermittelt werden, die vielen interessanten Initiativen, die man gerade auf kommunaler Ebene ergreifen kann, die einem dabei in den Sinn kommen, lassen einen nicht mehr los und erinnern gleichzeitig an die frustrierende Ohnmacht, die das Los eines kommunalen Oppositionspolitikers ausmacht. Dem Oppositionspolitiker bleibt das Gestalten verwehrt. Leider.

„Gestalten ist mehr als bloßes Verwalten – de rendre possible ce qui est nécessaire“, eine Vorstellung von Politik, die in Echternach so dringend gebraucht und so wenig gelebt wird.

Fallbeispiel Klimapakt und Klimabündnis.

Der Klimapakt ist eine Vereinbarung zwischen dem Staat und den Gemeinden, die gemeinsam dem Klimawandel entgegenwirken wollen. Im Februar 2013 unterzeichnete der CSV-LSAP Schöffenrat aus Echternach das Abkommen. Es sieht vor, dass eine Gemeinde sich dazu engagiert, konkrete Initiativen im Interesse des Klimaschutzes zu ergreifen, was vom Staat finanziell großzügig unterstützt wird. Tut die Gemeinde dies mit Erfolg, wird sie als innovative Gemeinde ausgezeichnet.

18 Monate später sieht das Resultat der Umsetzung in Echternach mehr als dürftig aus. Während andere Gemeinden des Landes sich durch mannigfaltige Initiativen in den Bereichen Energie oder Mobilität auszeichnen und im Rahmen des Klimapaktes zertifiziert werden, ist Echternach von einer solchen Auszeichnung meilenweit entfernt.

Es ist in diesem Zusammenhang auch schwer nachvollziehbar, warum die politisch Verantwortlichen einen Beitritt zum Klimabündnis ablehnen. Es handelt sich hierbei um das größte europäische kommunale Netzwerk in Sachen Klimaschutz. Allein hierzulande sind 37 Gemeinden Mitglied.

Jede Gemeinde arbeitet autonom, profitiert jedoch von den Erfahrungen der anderen Mitglieder in Luxemburg und in Europa. Sehr wichtig ist auch der Grundgedanke, dass globales Denken und lokales Handeln zusammengehören.

Es liegt auf der Hand, dass der Beitritt Echternachs zum Klimabündnis der Umsetzung des Klimapaktes mehr als förderlich wäre.

« Rendre possible ce qui est nécessaire », davon ist Echternach weit entfernt.

Spätestens in 38 Monaten könnten die Bürger dies ändern. Was nicht ist, kann ja noch werden.

(Journal 5.9.2014)

Wer keine Kraft zum Träumen hat, hat keine Kraft zum Handeln. — Dom Hélder Câmara