Fordert die atomare Abrüstung!

„Heute erschaffen wir aufs Neue die geopolitische Feindschaft des kalten Krieges. Wir tun das ohne eine öffentliche Diskussion, ohne irgendein Verständnis unseres Handelns – wir bewegen uns schlafwandelnd in einen neuen kalten Krieg und es besteht die sehr reale Gefahr, dass wir in einen Nuklearkrieg hineinstolpern“.

William J. Perry, Verteidigungsminister der USA unter Präsident Clinton.

Auf den ersten Blick sind die rezenten Analysen des Stockholmer Friedensforschungsinstitutes SIPRI in ihrem Jahrbuch 2018, betreffend die weltweiten Atomwaffen und deren allgemeiner Entwicklung, ernüchternd. Weltweit gibt es noch 14.465 Atomwaffen, die in der Hand von nur neun Staaten sind: Den USA, Russland, Großbritannien, Frankreich, China, Indien, Pakistan, Israel und Nordkorea. Shannon Kile, Leiter des Nuklearwaffen-Projekts bei SIPRI betont, dass im Vergleich zu 2017 die Gesamtzahl der Nuklearwaffen zwar um 470 gesunken ist, aber gleichzeitig wurden vorhandene Waffen modernisiert und neue atomare Systeme entwickelt. Die Vision einer atomwaffenfreien Welt scheint Schnee von gestern. Gerade in der Modernisierung dieser Waffen liegt ein enormes Gefahrenpotential. „Das ganze Säbelrasseln, das wir in letzter Zeit gesehen haben, könnte tatsächlich ein Zeichen dafür sein, dass manche Leute den Respekt vor der enormen Macht und der Gefahr nuklearer Waffen verloren haben“, ist die klare Aussage des Friedensforschers Hans Kristensen. In der Frühzeit des Kalten Krieges waren Atomraketen eigentlich unpräzise beim Treffen vorgesehener Ziele. Sie wurden dadurch einfach mit einem größeren Sprengkopf ausgerüstet um diese Ungenauigkeit zu kompensieren. Heutzutage wird durch sogenannte „Mini-Nukes“, also Atomwaffen mit einer geringeren Sprengkraft, die Effektivität und die Vielseitigkeit der Waffen verbessert. Beispiel: Eine Mini-Atombombe von der Größe eines Apfels, vernichtet alles Leben in einem Umkreis von fast 5 Kilometern. Diese weltweite Modernisierung des Atomwaffenarsenals verleite Politiker auch zu „Gedankenspielen zu begrenzten Atomkriegen“, warnt der Kristensen, Leiter des „Nuclear Information Project“ der „Federation of American Scientists“.

Die Rüstungsspirale dreht in beängstigende Sphären.

Die US-Regierung hat die Entwicklung neuer Nuklearwaffen erst im Februar in der aktualisierten Fassung ihrer Nukleardoktrin („Nuclear Posture Review“) bestätigt. Ganze 400 Milliarden Dollar will die USA bis 2026 für die Modernisierung ihres Nuklearwaffenarsenals ausgeben. Die Spirale eines atomaren strategischen Rüstungswettlaufs nimmt beängstigende Fahrt auf.

Russland steht in diesem Rüstungswettlauf nicht abseits. 2016 kündigte Präsident Putin das mit den USA im Jahre 2000 unterzeichnete Abkommen über die Verwertung des überschüssigen Waffenplutoniums, einseitig auf. Laut diesem Abkommen sollte jede Seite mindestens 34 Tonnen von atomwaffenfähigem Plutonium aus Atomkraftwerken vernichten. Das ist eine Menge, die ausreichend für die Herstellung von mehreren tausend Kernsprengköpfen wäre. Das Plutoniumabkommen ist eine wichtige Ergänzung zu den bestehenden Abrüstungsverträgen. Beide Seiten haben die vereinbarte Gesamtmenge noch längst nicht vernichtet. Auf Abkommen wie dem Plutonium-Deal aber ruht die ganze Architektur der europäischen Friedensordnung, wie Michael Thumann in der „Die Zeit“ analysierte.

Diese Aufkündigung war für Russland das Zeichen des Beginns einer weitreichenden Modernisierung ihrer Atomwaffen. Der Sowjetnostalgiker Putin reaktiviert die alte Tradition der Nukleardrohung aus vergangenen Zeiten und forciert umfassende Modernisierungsprogramme und Neubeschaffungen im russischen Nukleararsenal. Für Experten besteht kein Zweifel: Dieser Schritt beschleunigt einen neuen unerklärten „Kalten Krieg“. Dass Russland unsinnige Geldmengen in die Atomwaffen-Modernisierung pulvert, bedarf keiner Erklärungen.

Das britische Parlament hat 2016 gegen den Willen der schottischen Regierung, der Erneuerung ihrer nuklearen U-Boot-Flotte zugestimmt. Die Kosten dafür dürften mindestens 50 Milliarden Euro betragen. Bis 2025 will Frankreich für geschätzte 37 Milliarden Euro die Modernisierung ihres Atomwaffenprogramms vorantreiben.

Laut SIPRI stehen andere Atommächte diesem Rüstungswettlauf in nichts nach. So führte China beispielsweise nach Angaben der „Akademie für Physikingenieurwesen Chinas“, von September 2014 bis Dezember 2017 rund 200 Tests durch, die Kernexplosionen simulierten. Diese Tests dienten sicher nicht um die atomare Abrüstung voranzutreiben. China forciert die Realisierung ihrer Vorstellungen einer nuklearen Triade, also die Fähigkeit mit Atomwaffen per Boden, Luft und Wasser, zu reagieren, sowie der Entwicklung sogenannter Mehrfachsprengköpfe für ihre Raketenprogramme. Experten sehen in Chinas Atomwaffen-Vorstellungen eine Gefahr für einen neuen Rüstungswettlauf in Asien (Pakistan, Indien).

Schnee von gestern? Keineswegs.

Bei aller Ernüchterung, 2017 war für die Gegner von Atomwaffen ein ganz besonderes Jahr: 122 Mitgliedsländer der Vereinten Nationen (UN) haben sich im Juli letzten Jahres in einem Abkommen dazu verpflichtet, keine Nuklearwaffen zu produzieren oder zu besitzen.

Der Atomwaffenverbotsvertrag ist eine internationale Vereinbarung der Vereinten Nationen, die Entwicklung, Produktion, Test, Erwerb, Lagerung, Transport, Stationierung und Einsatz von Atomwaffen verbietet, außerdem die Drohung damit. Seit dem 20. September 2017 liegt der Vertrag zur Unterschrift auf. In nur neun Monaten haben 59 Staaten unterzeichnet, 10 Staaten den Vertrag ratifiziert. 90 Tage nach der 50. Ratifizierung wird der Vertrag in Kraft treten. Dieser Ratifizierungsprozess hat im Vergleich zu ähnlichen UN-Abkommen, wie die Ächtung von biologischen oder chemischen Waffen, einen sehr guten Lauf.

Auf einer rezenten Tagung der Friedrich-Ebert-Stiftung wies Leo Hoffmann-Axthelm Vorstandsmitglied der Organisation ICAN Deutschland (International Campaign to Abolish Nuclear weapons) auf einen interessanten Fakt hin: „Historisch gesehen wurden Waffensysteme immer erst verboten bevor Abrüstungsschritte gegangen wurden.“

Stéphane Hessel und Albert Jacquard forderten 2012 in einem Appell die weltweite nukleare Abrüstung :« Sachant que certains de nos dirigeants dans le monde continuent à préparer les conditions d’une guerre nucléaire qui pourrait à tout moment être déclenché, soit intentionnellement soit par erreur, chacun de nous, dans la mesure où il ne ferait pas tout ce qui est en son pouvoir pour les en empêcher, se rendrait coresponsable de ce crime immense contre l’Humanité » An die Zivilgesellschaft richteten sie den Aufruf : Exigez !

Die Friddens- a Solidaritéitsplattform Lëtzebuerg hat anlässlich ihrer rezenten ersten Mitgliedertagung beschlossen, sich der ICAN-Kampagne für das weltweite Verbot von Atomwaffen anzuschließen.

Raymond Becker
Ko-Initiator der Friddens- a Solidaritéitsplattform Lëtzebuerg

ICAN – We all can: Weg mit den Atombomben!

Erst ignorieren sie Dich, dann lachen sie über Dich, dann bekämpfen sie Dich und dann gewinnst Du.“
Mahatma Gandhi.

Viele erinnern sich noch an jene Rede des damaligen US- Präsidenten Barack Obama im April 2009 in Prag. Er skizzierte seine Vision von einer atomwaffenfreien Welt. Sein Credo: Eine Welt ohne Atomwaffen sei möglich. Dazu bedürfe es aber einer globalen Kraftanstrengung. Wörtlich: „(…) Heute ist der Kalte Krieg verschwunden, nicht aber seine Tausenden (Nuklear-)Waffen. Es ist eine seltsame historische Wendung, dass die Gefahr eines Atomkriegs gesunken, aber das Risiko eines Atomangriffs gestiegen ist. Die Waffentests sind weitergegangen. Auf Schwarzmärkten wird mit Nukleargeheimnissen und -materialien gehandelt. Die Technologie zum Bau einer Bombe hat sich verbreitet. Terroristen sind entschlossen, eine zu kaufen, zu bauen oder zu stehlen. Unsere Bemühungen, diese Gefahren einzudämmen, konzentrieren sich auf das globale Nichtverbreitungsregime, aber wenn mehr Menschen und Nationen die Regeln brechen, könnten wir an den Punkt kommen, wo das nicht mehr ausreicht. (…)“.

Vielerorts war die Euphorie groß, ein Friedensnobelpreis war gar die Folge. Relativ schnell musste man aber einsehen, dass der damalige amerikanische Präsident nicht über das Wasser gehen konnte. Das aktuelle Modernisierungsprogramm der US-Atomwaffen beispielsweise wurde durch ihn in die Wege geleitet. Die republikanische Mehrheit im Kongress drängte den Präsidenten zu diesem Schritt, als Gegenleistung waren sie bereit dem sogenannten New-Start-Abrüstungsabkommen zuzustimmen. Seit 2010 gilt zwischen Russland und den USA dieser Vertrag zur Regelung nuklearer Abrüstung. Markantestes Kennzeichnen dieses bis 2021 laufenden Vertrages, sind seine schleppenden Verhandlungen.

Laut dem schwedischen Friedensforschungsinstitut SIPRI (Jahrbuch 2017) sind derzeit weltweit 14.935 Atomwaffen im Besitz der neun Atomwaffenstaaten. Die fünf „offiziellen“ Atomwaffenstaaten: die USA, Russland, Frankreich, China, Großbritannien. Die vier „De-Facto“-Atomwaffenstaaten: Israel, Pakistan, Indien, Nordkorea. Die Gesamtzahl der Waffen ist zwar geringer als auf dem Höhepunkt des sogenannten Kalten Krieges, bedeutet aber immer noch einen Overkill (Mehrfach-Vernichtungskapazität) für die Welt. 93% der Atomwaffen gehören den USA oder Russland.

Dass ein Atomwaffeneinsatz völkerrechtswidrig sei, urteilte der Internationale Gerichtshof in Den Haag bereits 1996. Aufgrund eines von den Vereinten Nationen eingeleiteten Gutachter-Verfahrens lautete die Kernausage der Richter: „Die Androhung des Einsatzes und der Einsatz von Atomwaffen verstoßen generell gegen das Völkerrecht und im Besonderen gegen die Regeln des humanitären Kriegsvölkerrechts.“

Die gemeinsamen Erklärungen der Internationalen Organisationen, Rotes Kreuz und Roter Halbmond der Jahre 2011 und 2013 riefen zur Abschaffung aller Atomwaffen auf. Es sind dies Resolutionen die weit über die Schlagwörter Abschreckung und militärische Schlagkraft gehen. Konkret ging es um die nicht akzeptierbaren humanitären Folgen einer Explosion. Verdeutlicht wurden die direkten Auswirkungen einer Explosion und deren Folgen, wie etwa die Auswirkungen auf das Klima und die Nahrungsmittelproduktion. Experten bestätigten die Vermutung, dass nach einem Atomwaffeneinsatz eine ausreichende humanitäre Hilfe quasi unmöglich wäre. Rotes Kreuz und Roter Halbmond wollten mit diesem Ansatz die Diskussion im Prozess einer atomwaffenfreien Welt weitertreiben.

Zwei Geschehnisse vor wenigen Monaten brachten neue Dynamik und Perspektiven in die Diskussionen um ein weltweites Verbot aller Atomwaffen. Im Dezember wurde die „Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen“ (ICAN) mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden. ICAN wurde für ihren bahnbrechenden Einsatz für ein vertragliches Atomwaffenverbot geehrt. „ICAN‘s wichtigste Botschaft ist, dass die Welt niemals sicher sein kann, so lange wir Atomwaffen haben“, war das Credo bei der Preisverleihung. ICAN ist ein Zusammenschluss von Nichtregierungsorganisationen und die wichtigste zivilgesellschaftliche Organisation, die mit Regierungen zusammen für einen starken und wirkungsvollen Verbotsvertrag arbeitet.

Die Anti-Atomwaffen-Kampagne hatte maßgeblich an einem Vertrag der Vereinten Nationen mitgewirkt, der im Juli unterzeichnet wurde und von 122 Staaten unterstützt wird. Dieser Vertrag zum weltweiten Verbot von Atomwaffen ist ein Meilenstein in der Geschichte der nuklearen Abrüstung. Der Vertrag verbietet u.a. den Staaten Atomwaffen zu testen, zu entwickeln, zu produzieren und zu besitzen; die Weitergabe, die Lagerung und der Einsatz sowie die Drohung des Einsatzes sind verboten; den Staaten wird die Stationierung von Atomwaffen auf eigenem Boden untersagt. Die Ratifizierung dieses Vertrages ist weltweit in vielen Ländern auf gutem Weg. Man muss keine hellseherischen Fähigkeiten besitzen um zu behaupten, dass dieser UN-Vertrag in absehbarer Zeit in Kraft tritt. Nach den Verboten von Bio- und Chemiewaffen, von Landminen und Streumunition, wird durch diesen Vertrag eine völkerrechtliche Lücke geschlossen. Die zerstörerischste, willkürlichste und unmenschlichste Massenvernichtungswaffe wird geächtet.

Zurück zum Anfangszitat von Mahatma Gandhi. Die Atomwaffenstaaten und deren Verbündete, zu denen auch Luxemburg zählt, reagieren heftig in Bezug auf den Verbotsvertrag und zur Arbeit von ICAN. Vielen Atomwaffenbefürwortern wird immer klarer, dass sie die Kontrolle über den öffentlichen Diskurs zu verlieren. Deshalb sind ihre heftigen Reaktionen im Kontext des Gandhi-Zitates zu sehen. Was wir hierzulande im Rahmen des Atomwaffen-Verbotsvertrages tun könnten, wird die „Friddens- a Solidaritéitsplattform“ aufzeigen.

Raymond Becker
Ko-Initiator der Friddens- a Solidaritéitsplattform Lëtzebuerg

Fräi nom Stéphane Hessel; Indignez-vous! Engagez-vous!

http://tele.rtl.lu/emissiounen/de-journal/3125269.html

Kontakt :

fsplux@posteo.lu

https://www.facebook.com/fsplux/

Et geet einfach elo duer!

„Frieden ist nicht alles, aber ohne Frieden ist alles nichts“.

Willy Brandt

Aufgrund einer Initiative dreier Vereinigungen (Cercle Vivi Hommel asbl, Friddensinitiativ asbl, LIFE asbl), veröffentlichten vor einigen Tagen 68 Erstunterzeichner einen Appell zwecks Gründung einer „Friddens- a Solidaritéitsplattform Letzebuerg“. (https://www.facebook.com/fsplux/).

Die Bewegung will die Zivilgesellschaft stärker an den friedenspolitischen Diskussionen beteiligen. Sie sieht es als Aufgabe aller Bürger*innen an, Lösungen für eine friedlichere, gerechtere und humanere Welt in Vorschlag zu bringen. Die Plattform bietet Raum für Inspiration, sie will ein gemeinsames Engagement schaffen.

Warum diese Initiative?

  • Wenn die weltweiten Rüstungsausgaben laut dem schwedischen Friedensforschungsinstitut SIPRI, 2017 den höchsten Stand seit dem Ende des „kalten Krieges“ erreicht haben, unvorstellbare 1,43 Billionen €.;
  • wenn Internationale Abkommen wie das Atomabkommen mit dem Iran einfach gebrochen werden;
  • wenn das Völkerrecht, ein Weg der Regulierung von internationalen Beziehungen, ein wesentliches Ziel der Vereinten Nationen, einfach nicht mehr beachtet wird;
  • wenn laut dem Uppsala Conflict Data Program (UCDP) es 49 offene Konflikte weltweit gibt, allein deren 19 in Afrika;
  • wenn wir als Gesellschaft viele dieser Brandherde gefährlich vernachlässigen;
  • wenn durch steigerndes Säbelrasseln zwischen den USA, Israel und dem Iran ein Pulverfass zu explodieren droht;
  • wenn militärische Eskalation bewusst gefördert wird;
  • wenn immer verrücktere und perversere Modernisierungsprogramme wie bei den Atomwaffen, vorangetrieben werden und so Politiker zu „Gedankenspielen zu begrenzten Atomkriegen“ verleiten;
  • wenn Elon Musk, Gründer von SpaceX und Tesla Motors, warnt: Man hätte mit Künstlicher Intelligenz (KI) die „größte existenzielle Bedrohung, die es gibt“ erschaffen. Auch Stephen Hawking äußerte sich bedenklich – KI sei „möglicherweise der größte Fehler, der je gemacht wurde.“ Die KI aber zum festen Bestandteil militärischer Planungen gehört;
  • wenn 65 Millionen Menschen durch Krieg, Klima, Armut, Hunger auf der Flucht sind;
  • wenn in Syrien, ein 7jähriges Kind nicht weiß was Frieden ist, über 12 Millionen Menschen entwurzelt sind, die Hälfte im eigenen Land, über fünf Millionen sind ins Ausland geflohen, die Vereinten Nationen mit 400.000 Kriegstoten rechnen;
  • wenn in Ostafrika siebzehn Millionen Menschen vom Hungertod bedroht sind, davon allein 6,5 Millionen Unterernährte im Südsudan, wo ein barbarischer Bürgerkrieg wütet;
  • wenn im Jemen, ein Landstrich den die alten Römer „Arabia felix“ nannten: glückliches, fruchtbares, grünes Arabien, heute nur die Hölle herrscht;
  • wenn manche Politiker glauben, sie könnten Menschen durch Mauern, Stacheldrähte oder durch Ertrinken im Mittelmeer, nach ihrer Suche um Frieden und ein wenig Glück aufhalten;
  • wenn Solidarität und Zusammenhalt innerhalb der 28 EU-Länder immer mehr fehlen und es dem reichen Europa generell an Mitgefühl fehlt;
  • wenn Politiker emotionale Parolen gegen rationale Argumente setzen, mit herabsetzenden Ressentiments spielen und Erfolg haben;
  • wenn wir den Earth Overshoot-Day am 10. August 2018, also jenen Tag ab dem wir aus ökologischer Sicht weltweit über unseren Verhältnissen leben, einfach achselzuckend zur Kenntnis nehmen;
  • wenn Fake-News in vielen Bereichen wie beim Klimawandel die Oberhand gegenüber wissenschaftlichen Beweisen haben, der Glaube an die Gültigkeit des besseren Arguments nichts mehr zählt;
  • wenn die Politik weiter an einer neoliberalen Wahnidee festhält;
  • wenn an den Börsen mit Lebensmittel spekuliert wird;
  • wenn der frühere deutsche Außenminister Klaus Kinkel mit seiner Aussage die heutige Weltpolitik erinnere ihn an einen „dümmlichen Zirkus“ Klartext spricht;
  • wenn die Sorge um den Frieden heute so groß ist wie schon lange nicht mehr;

dann wird es höchste Zeit, dass sich die Zivilgesellschaft wieder aktiver in die friedenspolitischen Diskussionen einmischt.

Diese Plattform will ihren Teil dazu beitragen um auch in Luxemburg die gesellschaftlichen Verhältnisse in Richtung Friedensbereitschaft und Friedensfähigkeit zu verändern. Gewusst ist, dass die Friedensbewegung, dieser bunte Mix aus engagierten Bürger*innen, fast nie in der Politik als Bereicherung angesehen worden ist. Dies kann sich aber rasch ändern. An vielen Orten weltweit ist eine neue Graswurzelbewegung am Wachsen. Diese Plattform möchte ein Teil dieser Bewegung werden, sie will sich frei nach Stéphane Hessel: Indignez-vous! – Engagez-vous!

Raymond Becker

Ko-Initiator der „Friddens- a Solidaritéitsplattform Lëtzebuerg“

Die Mär der 2% Wirtschaftsleistung

Laut Duden bedeutet das Wörtchen Mär eine „Erzählung, seltsame Geschichte, unglaubwürdiger oder unwahrer Bericht“. Es trifft genau den Punkt in der schon seltsamen Geschichte, wie sich innerhalb des NATO-Bündnisses, die Mitgliedsstaaten mit einer Budgeterhöhung der Militärausgaben bis zu 2% des Brutto-Inlands-Produktes (BIP) hochschaukeln. In Zeiten von Fake-News oder dem Verbiegen von Wahrheiten ist wichtiger denn je, einfach die Fakten mal zu hinterfragen.

Seit Mai 2017 anlässlich eines NATO-Gipfeltreffens in Brüssel, mäkelt ein politisch unberechenbarer amerikanischer Präsident an seinen NATO-Partnern rum, sie sollten gefälligst die Abmachungen einer zukünftigen Militärpolitik, die im September 2014 in Wales beschlossen wurden, einhalten. Für den amerikanischen Präsidenten wäre dies ein Beweis der Bündnistreue. Er übt unverhohlen Druck aus. Er ist der festen Überzeugung, dass alle Partner die 2% Schwelle bis 2024 erreicht haben müssen.

Ist dem wirklich so? Eine Analyse von Peter Vonnahme (Richter am Bayerischen Verwaltungsgerichtshof i. R.) kommt zu einem anderen Schluss. Doch der Reihe nach.

Keine neue Vorgabe

Die 2% Vorgabe ist so neu nicht. Die 29 Mitgliedsstaaten dieses militärisch-politischen Bündnisses finanzieren ihr Funktionieren über Beiträge. Diese Beiträge sind durch einen Verteilungsschlüssel festgelegt. Regelmäßig wird dieser Schlüssel, der sich an der Wirtschaftskraft eines Landes orientiert, untereinander neu verhandelt. 2006 einigten sich die Mitgliedstaaten der NATO auf die freiwillige Zielmarke, jährlich 2% ihres Bruttoinlandsproduktes für Militär und Rüstung auszugeben. Dies war ein unverbindlicher Vorsatz. Der damalige NATO-Generalsekretärs Jaap de Hoop Scheffer, sprach auf der Münchener Sicherheitskonferenz im Jahr 2007 von einem „informal benchmark of 2% defence spending.“

Unter dem Eindruck der Ukraine-Krise haben die Staats- und Regierungschefs der NATO-Staaten bei dem Treffen in Wales zur zukünftigen Militärpolitik des Bündnisses, folgendes formuliert: „Wir werden von folgenden Überlegungen geleitet („we are guided by the following considerations“): Bündnispartner, deren Militärausgaben unter 2 % ihres Bruttoinlandsprodukts (BIP) liegen, werden

  1. die Verteidigungsausgaben nicht weiter kürzen;
  2. darauf abzielen, die realen Verteidigungsausgaben im Rahmen des BIP-Wachstums zu erhöhen;
  3. darauf abzielen, sich innerhalb von zehn Jahren auf den Richtwert von 2 % zuzubewegen („aim to move towards the 2 % guideline within a decade“).

Die Sprache der Diplomatie

Wer die Sprache der Diplomatie etwas analysiert, merkt sehr schnell, dass ein „informal benchmark“ hier immer noch vorliegt. Man bestärkte den Willen der 2%, unterlegte ihn aber mit einem Zeitkorridor bis 2024. Die integrale Wales-Erklärung kann unter https://www.nato.int/cps/ic/natohq/official_texts_112964.htm eingesehen werden.

Start des Militärsatelliten

Auch in Luxemburg, wird nun so getan als ob die 2% eine Verpflichtung wären. Beim Start des luxemburgischen Militärsatelliten im Januar dieses Jahres wird der zuständige Minister wie folgt zitiert: „(…) Luxemburg überhaupt einen Militärsatelliten in den Weltraum befördert, liegt daran, dass “wir unsere Verteidigungsausgaben erhöhen müssen. (…) Wir müssen solidarisch mit unseren Partnern sein und Verantwortung zeigen.” Zurzeit gibt unser Land etwa 0,4% seiner Wirtschaftskraft an das Militärbündnis. Geplant ist bis 2020 einen Zielwert von 0,6% zu erreichen. Wie es dann bis 2024 weitergeht, steht im wahrsten Sinne des Wortes in den Sternen.

Peter Vonnahme kommt in seiner Analyse zum Schluss, dass seit jeher „Politik- und Rechtswissenschaftler sich einig sind, dass die 2%-Zielvorgabe der NATO keine rechtliche Bindungswirkung entfaltet. „(…). Prozentvorgaben wie in der Abschlusserklärung von Wales seien eine politische Willensbekundung („non-binding requirement“, „gentlemen’s agreement“, „informal benchmark“). Sie enthielten jedoch keine bindende Verpflichtung der Mitgliedstaaten.“ Der Rechtswissenschaftler formuliert klar: „Diese Bewertung wird durch den Wortlaut der Waliser Erklärung gestützt. Dort ist nämlich nur von Überlegungen (considerations) die Rede und davon, dass die Bündnispartner auf einen bestimmten „Richtwert (…) abzielen“ (aim to (…) guideline). Eine Textform, wie sie für bindende Verträge üblich ist (z.B. „Die Parteien verpflichten sich“), fehlt vollkommen. Außerdem fehlen jegliche Regeln für den Fall der Nichteinhaltung von Abreden. Die Gipfelerklärung hat somit schon von der Sprachform her den Charakter einer bloßen Absichtserklärung.“

Das 2%-Muss ist nichts weiter als eine Mär, da kann ein amerikanischer Präsident wüten wie er will. Wir sollten einfach aufhören diese Kriegstreiberei weiter zu unterstützen. Es gilt finanzielle Mittel freizustellen um vertrauensbildende, deeskalierende Wege zu beschreiten.

Raymond Becker

Ko-Initiator der Friddens- a Solidaritéitsplattform Lëtzebuerg